Feinster Hardcore von der Förde: The Decline of Kiels Civilization

"Das ist Kiel – maritim und asozial!" Bonehouse-Frontmann Phillip Wolter schaut liebevoll in die Massen vor der Bühne. Sein verbaler Ausbruch kommt von Herzen und trifft tief die Seele der Hardcore-Fangemeinde.

Denn was sich an diesem Wochenende in der Alten Meierei abspielt, dürfte selbst auf internationaler Ebene seinesgleichen suchen. Das Konzert-Highlight des Jahres trägt das Banner The Decline of Kiels Civilization. Zwei Tage mit der Crème de la Crème der Förde-Bands wird auf Band dokumentiert und soll im Frühjahr bundesweit in den Plattenläden stehen, getreu des 80er Vorbildes "The Decline of the Western Civilization". Jede der sechs Bands wird darauf mit zwei Songs vertreten sein, Live-Versionen eines „Hits“, dazu ein bis dato unveröffentlichtes Stück.

Initiator ist Bonehouse-Manager Marco "Boller" Görke, der es sich heute Abend nicht nehmen lässt, zum Finale den einen oder anderen Stomper seiner Jungs mitzugrölen. Der gestrige Tag war schön und anstrengend, die Meierei wahrscheinlich noch nie so voll. Smoke Blow, The Creetins und Abgelehnt lieferten ihre denkwürdigen Beiträge, heute also der zweite Teil. Verantwortlich für die Aufnahmen zeichnen Smoke Blow-Bassist Björn "Zottel" Seitz und – wie könnte es anders sein – Kiels Produzentenlegende Ulf Nagel. Letzterer eröffnet mit seiner Band Suburban Scumbags. Optisch eine Mischung aus zu groß geratenem Joe Strummer und Endzeit-Bruce Springsteen, röhrt er Punk-Rock-Coverversionen wie Don’t Fuck With The GLC oder Sonic Reducer, wahlweise lautstark unterstützt von den spontan zusammengewürfelten Gaarden Punk Rock Singers oder Pseudo-Suffragetten-Iggy-Imitat Nick Suizid. As Long As I Can Get The Booze wird zur programmatischen Biertrinker-Hymne, am Tresen fließt dazu reibungslos das flüssige Brot.

Nach diesem Einstieg haben es die Typhoon Motor Dudes leicht, den Saal endgültig zum Kochen zu bringen. Punk’n’Roll vom Feinsten, dazu die angenehme Mischung aus Familienflair und friedlicher, ausgelassener Partystimmung. Man kennt sich, wohin man schaut entspannte Gesichter der Headbanger, dazu solidarische Sticker und Mützen mit Logos der Bands. Selten war ein Punk Rock-Sound so angenehm, ein Event dieser Art so gut durchorganisiert. Musik für die Seele, akustischer Schlag gegen pädagogisierende Ü30-Kernobst-Jongleure und unverschämt überteuerte Konzertpolitik.

Unglaublich: Bonehouse schaffen es, der grandiosen Festivität noch einen draufzusetzen. Die Band hat all die Jahre wacker durchgehalten, immer bessere Platten veröffentlicht, bekommt heute Abend ihren verdienten Lohn. Steamroller, Indochina oder Destroy The City werden textsicher von den pogenden Jüngern intoniert. Ein letzter Song, Sex And Violence, ein Klassiker. Dann drückt Zottel die Stop-Taste, The Decline of Kiels Civilization ist im Kasten. Man darf gespannt sein auf den Sampler, der jetzt schon Kultstatus erlangt hat. In Kiel geht was. Zugabe erwünscht.