Pressespiegel 2012

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28. Dezember 2012, NDR: Plante NSU Anschläge in Schleswig-Holstein?

Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) war in Schleswig-Holstein offenbar deutlich aktiver als bislang bekannt. So soll das Terror-Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe nach NDR Informationen offenbar mehr als 20 Orte im Norden für potenzielle Anschlagsziele ausgespäht haben. Das geht aus der Anklageschrift der Bundesanwaltschaft gegen Zschäpe hervor, die dem Schleswig-Holstein Magazin vorliegt. Im Visier der Rechtsterroristen waren dabei auch Kulturvereine für Migranten und Einrichtungen, die sich um die Integration von in Schleswig-Holstein lebenden Ausländern kümmern. Bei dem Trio fanden die Ermittler auch Stadtpläne von Kiel. In der Anklageschrift heißt es dazu: Der NSU druckte sich Karten aus, auf denen er Orte markierte. Dazu hat die Terrorzelle Anmerkungen zu den örtlichen Gegebenheiten geschrieben – zum Beispiel Möglichkeiten zur Flucht.
Landesregierung äußert sich zu NSU

Terror-Trio soll öfter in Kiel gewesen sein

Aus der Anklageschrift geht weiter hervor, dass die Bundesanwaltschaft viele Spuren, die nach Schleswig-Holstein führen, nicht weiter verfolgt hat. Zeugen sagen aus, dass Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe von Fehmarn aus immer wieder Tagestouren gemacht haben – und 2009 oder 2010 auch nach Kiel kamen. Diese Hinweise sollen die Anwälte ausgespart haben, obwohl ein Hauptbelastungszeuge gegen die Rockergruppe "Hells Angels" bereits zuvor ausgesagt hatte, Beate Zschäpe habe zu dieser Zeit im Kieler Rockermilieu Waffen gekauft. Zur Begründung hieß es vom Generalbundesanwalt, es hätten sich keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der NSU weitere Anschläge konkret geplant oder verübt hätte.

Experte: "Bewusst Sachverhalte weggelassen"

"Mein Eindruck ist, dass man, um zu einer zeitnahen Anklage zu kommen, ganz bewusst Sachverhalte weggelassen hat, die man noch nicht nachweisen kann, die aber für das Gesamtbild wichtig wären. Und gerade der Bereich im Norden fehlt dabei straflässig", sagte der Experte für Rechtsextremismus, Volkmar Wölk (Linke). In den Akten zum Zschäpe-Verfahren gibt es weitere Verbindungen nach Schleswig-Holstein. Neben Fehmarn, Neumünster und Nessendorf, gibt es Hinweise auf Grömitz, Lübeck, Neustadt, Gelting und Flensburg.

Der NSU soll zwischen 2000 und 2007 für die Ermordung von neun Menschen mit Migrationshintergrund und einer Polizistin verantwortlich sein. Auch Banküberfälle und Sprengstoffanschläge sollen die NSU-Mitglieder verübt haben.

Quelle: NDR


27. Dezember 2012, SHZ: NSU soll auch Tatorte im Norden anvisiert haben

Terrorverdacht

Fremdenfeindliche Anschläge des NSU hätten offenbar auch in Schleswig-Holstein stattfinden können. Laut Bundesanwaltschaft hat das Terrortrio auch Ziele im Norden auf der Liste gehabt.

Kiel. Die Terrorgruppe des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) soll auch in Schleswig-Holstein mögliche Anschlagsziele ausgekundschaftet haben. Mehr als 20 Orte habe das NSU-Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe im Norden für Attentate im Visier gehabt. Das geht aus der Anklageschrift der Bundesanwaltschaft gegen Zschäpe hervor. Zu den Orten zählten unter anderem Integrationseinrichtungen und Kulturvereine.

Nach Angaben des NDR soll die Bundesanwaltschaft viele der Spuren, die nach Schleswig-Holstein führten, nicht hinreichend verfolgt haben. So seien die Ermittler etwa Hinweisen auf Besuche des Trios in Kiel 2009 nicht nachgegangen – obwohl damals schon bekannt gewesen sei, dass sich Zschäpe im Rocker-Milieu der Landeshauptstadt Waffen besorgt habe.

Quelle: SHZ


27. Dezember 2012, KN: Terroristen hatten Kiel im Visier

Zwickauer Terror-Trio
Von Patrick Tiede

Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) war in Schleswig-Holstein offenbar deutlich aktiver als bislang bekannt. Uwe Bönhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe sammelten ausführliche Informationen zu potenziellen Anschlagszielen im Land – allein für Kiel über 20 Adressen.

Kiel. Das geht aus der Anklageschrift gegen Beate Zschäpe hervor. Die Rechtsterroristen hatten in der Landeshauptstadt offenbar vor allem ausländische Kulturvereine und Integrationseinrichtungen für Migranten im Visier. Sie sind auf Kieler Stadtplänen markiert, die die Ermittler nach dem Auffliegen der Terrorzelle gefunden haben. Aus den Akten geht nach Informationen des NDR auch hervor, dass das NSU-Trio Informationen über Lübeck, Flensburg, Neumünster, Grömitz, Neustadt, Gelting und Nessendorf sammelte. Der Rechtsextremismusexperte Volkmar Wölk von der Linkspartei geht davon aus, dass es sich bei den kommentierten Kartierungen nicht um „beiläufige Randnotizen“ handelt. Dass der NSU letztlich keine Anschläge auf Vereinsgebäude, Partei- und Gewerkschaftsbüros verübte, lag laut Wölk vielmehr daran, dass das Trio Angst vor unerwarteten Augenzeugen hatte.

In der Anklageschrift, die den Kieler Nachrichten vorliegt, heißt es, der NSU habe sich Karten ausgedruckt, auf denen er Orte markierte und Anmerkungen zu den örtlichen Gegebenheiten schrieb. Dabei ging es auch um Fluchtmöglichkeiten vor Ort. Derlei Pläne besaß der NSU zu zahlreichen deutschen Großstädten. Außerdem fanden die Ermittler über 10000 Adressen von Einrichtungen und Einzelpersonen im Nachlass des Trios.

Den Akten zufolge könnte der NSU insgesamt weitergehende Verbindungen zu Schleswig-Holstein besessen haben, als bislang bekannt. So berichten Camping-Nachbarn, das Trio sei 2009 und 2010 von Fehmarn aus mehrfach nach Kiel gefahren. Zschäpe soll zudem in Kontakt mit einem ehemaligen NPD-Funktionär gestanden haben, der im Kreis Plön einen Freizeitpark betreibt. Der Polizei liegen Hinweise vor, dass der Mann gegenüber Bekannten damit prahlte, „zwei junge Kämpfer aus Sachsen“ seien bei ihm 2011 zu Gast gewesen. In der polizeilichen Vernehmung bestritt der Unternehmer jedoch, Kontakte zum NSU gehabt zu haben.

Wölk bemängelt, dass die Bundesanwaltschaft viele Spuren, die nach Schleswig-Holstein führen, nicht ausermittelt hat: „Offensichtlich wurden Sachverhalte weggelassen, um zu einer zeitnahen Anklage zu kommen.“ Von der Bundesanwaltschaft heißt es, die umfassenden Ermittlungen hätten „keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der NSU weitere Anschläge konkret geplant oder verübt hat“.

Quelle: KN


24. November 2012, KN: Kiel setzt Zeichen gegen Fremdenhass

20 Jahre nach Mölln
Von Martin Geist

20 Jahre und einen Tag nach den Morden von Mölln haben am Sonnabendnachmittag in Kiel etwa 500 Menschen für Toleranz und gegen Rassismus demonstriert. „Eine würdige und friedliche Demonstration“ sollte es nach dem Willen der Initiatoren werden, und weitgehend ging dieser Wunsch auch in Erfüllung.

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Kiel. Mehrere Kundgebungsredner verwiesen auf die Bedeutung von Zivilcourage im Kampf gegen Rassismus, denn eine solche Aufgabe dürfe nicht den Behörden überlassen werden. Vom Platz der Matrosen am Hauptbahnhof marschierte der Demonstrationszug über die Gablenzbrücke nach Gaarden zum Bahide-Arslan-Platz.
Fotostrecke: 500 Menschen demonstrieren in Kiel gegen Fremdenfeindlichkeit

Dort gedachten sie der Frau, die im November 1992 mit 51 Jahren ebenso wie ihre beiden Enkelinnen in Mölln Opfer eines Brandanschlags zweier Rechtsextremer wurde.

Quelle: KN


8. Oktober 2012, SZ: Phantastischer Zeuge

Ermittlungen zu NSU und Hells Angels

Die Kieler Staatsanwaltschaft stützt sich bei ihren Ermittlungen gegen die Hells Angels auf einen verurteilten Verbrecher, der auch Aussagen zur rechtsextremen NSU gemacht hat. Die entpuppten sich als falsch – was heißt das für seine anderen Behauptungen?

Von Hans Leyendecker

Die Sache war brisant, und weil die Angelegenheit keinen Aufschub duldete, rief Peter Schwab, der Leiter der Kieler Staatsanwaltschaft, am 16. Mai den stellvertretenden Generalbundesanwalt Rainer Griesbaum an: Ein ehemaliger Rocker, der in Kiel Angaben "zu einer Vielzahl schwerer Straftaten" gemacht habe, die von den Ermittlern "ganz überwiegend als zutreffend" angesehen würden, behaupte, die Mitglieder der Terrorvereinigung Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) seit Mitte der Neunzigerjahre zu kennen. Noch 2009 sei der Zeuge Steffen R. dabei gewesen, als in Kiel Waffen an Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt übergeben worden seien und er wolle auch etwas über Beate Zschäpe sagen.

Sofort wurde das Bundeskriminalamt (BKA) eingeschaltet. Seit fast einem Jahr prüfen die Ermittler, ob die Terrorbande NSU Verbindungen in den Westen hatte, und jetzt wies eine neue Spur in diese Richtung. Der Zeuge, der sich selbst "Imperator" nennt, wurde viele Stunden von den NSU-Fachleuten des BKA und von einem Vertreter der Bundesanwaltschaft vernommen. Seine Angaben wurden dann wochenlang überprüft, das Ergebnis fasste ein Strafverfolger der Karlsruher Behörde Mitte August in einem zweiseitigen Vermerk zusammen: Es sei "davon auszugehen", dass der Zeuge "bewusst wahrheitswidrige Angaben gemacht" habe, indem er "Sachverhalte frei erfunden und reale Vorgänge aufgebauscht habe". Karlsruhe sei an diesem Zeugen nicht mehr interessiert.

Der 40-jährige Steffen R., der mehrfach wegen schwerer Straftaten im Rotlichtmilieu verurteilt worden ist und dennoch etliche Jahre V-Mann der Polizei war, ist aus Sicht der Bundesanwaltschaft ein Märchenerzähler, doch aus Sicht vieler Kieler Ermittler ein Aufdecker.

Die Aussagen des Mannes, der mal Chef der Legion 81 war – einer Hilfstruppe der mittlerweile verbotenen Kieler Hells Angels – hatten vor Monaten die umfangreichsten Ermittlungen gegen das organisierte Verbrechen und die Rockerszene in der Republik ausgelöst.
"Spinner" mit vielen Geschichten

Im Frühsommer wurden Dutzende Klubhäuser, Wohnungen und Geschäfte verschiedener Hells-Angels-Gruppen durchsucht. 1200 Beamte waren im Einsatz, unter ihnen auch Mitglieder der Anti-Terroreinheit GSG9. Bundespolizisten seilten sich sogar von einem Hubschrauber ab, um auf das Anwesen von Frank Hanebuth, der damals Präsident der Hells Angels Hannover war, zu gelangen. Sie präsentierten einen Durchsuchungsbeschluss, und nahmen, außer einem Laptop noch ein paar andere Sachen mit. Ob Aufwand und Ertrag in einem Verhältnis standen, wurde fortan in der Szene heftig diskutiert. Die Hells Angels zu Hannover jedenfalls lösten sich später auf. Hanebuth nennt R. "einen Spinner".

Zu den vielen Geschichten, die Steffen R. so erzählt hat, gehört auch die Geschichte von Tekin Bicer. Der Ex-Türsteher soll vor Jahren angeblich von Hells Angels in Kiel entführt und gefoltert worden sein. Dann, so R., sei er erschossen worden. Angeblich sei die Leiche in einer Lagerhalle. Das habe er in der Szene gehört. Eine Halle in Kiel-Altenholz ist mittlerweile vollständig demontiert worden. Kein Hinweis auf eine Leiche wurde gefunden. Die Besitzer der Halle machen jetzt einen Schadenersatzanspruch von rund 400.000 Euro geltend. Dennoch hat die Kieler Staatsanwaltschaft an der "Glaubhaftigkeit der Erklärungen" des Zeugen R. und der "Glaubwürdigkeit seiner Person", wie ein Oberstaatsanwalt dem Kieler Landgericht im August schrieb, keinen Zweifel.

Warnung vor Steffen R.

Bei den Sicherheitsbehörden hat es schon viele merkwürdige V-Leute und angebliche Kronzeugen gegeben, aber die Chuzpe von Steffen R. und die Treue der Kieler Ermittler sind nicht alltäglich. Bereits im September 2003 hat das Landeskriminalamt (LKA) Sachsen-Anhalt vor einer Zusammenarbeit mit Steffen R. gewarnt. Er war als V-Mann auch in der Neonazi-Szene im Einsatz gewesen und hatte sich als unzuverlässig erwiesen. Seinen damaligen V-Mann-Führer, der jetzt Kriminalrat in Sachsen-Anhalt ist, hatte er in Schwierigkeiten gebracht. Dieser Warn-Vermerk lag den Kieler Ermittlern offenbar nicht vor. Sie vermuteten nur, der aus dem Osten stammende Steffen R. sei im Rahmen irgendeines Zeugenschutzprogrammes nach Schleswig-Holstein gekommen.

In seiner Vernehmung in Sachen NSU behauptete Steffen R. im Juni 2012, er habe 2002 im Auftrag des LKA Sachsen-Anhalt und des LKA Thüringen eine von den Behörden bezahlte Party in Weißenfels veranstaltet, bei der Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe gegen 23.30 Uhr aufgetaucht seien. Zschäpe habe zur Fortsetzung des bewaffneten Kampfes gegen Ausländer aufgerufen. Ein Thüringer Verfassungsschützer, der dabei gewesen sei, habe die Rede Zschäpes dokumentiert. Etwa 2009, er saß zuvor wieder mal in Haft, habe er das Trio erneut gesehen. "Die beiden Uwes und die Beate" hätten mit örtlichen NPD-Funktionären in Kiel beieinandergestanden, und einer von der NPD habe gesagt, die drei seien jetzt für das "Grobe" zuständig. Sie seien gekommen, um Waffen zu kaufen. Das Trio habe dann ein Maschinengewehr, eine Maschinenpistole, mehrere Pistolen sowie Schrotflinten bekommen. Später seien auf die "Alte Meierei", die als Zentrum der Linken in Kiel gilt, gefeuert worden. Die beiden Uwes und einer von der NPD hätten geschossen.

Nach den Feststellungen der Bundesanwaltschaft stimmt an diesen wilden Geschichten nichts. Zwar wurden bei dem Trio zwanzig Waffen gefunden, aber die von R. angegebenen Schießgeräte waren nicht darunter. Diese Wertung gilt für alle wesentlichen Punkte seiner Aussage.

Ein früherer Mithäftling von Steffen R. hat den Ermittlern berichtet, er habe R. 2011 im Knast zu Neumünster den Tipp gegeben, dass man Leute belasten müsse, die bekannt seien, damit man in ein Zeugenschutzprogramm komme. Das BKA hat sich auch mit der Frage beschäftigt, was R. dazu gebracht hat, seine Aussagen zu machen. Gründe könnten die Aussicht auf Geld oder die Hoffnung auf Aufnahme in das Zeugenschutzprogramm des BKA sein, schrieben die Ermittler.

Nicht in Karlsruhe, aber in Kiel hat sich für R. bislang ausgezahlt, dass er geliefert, was mancher von ihm erhofft hat. Er stand 2012 in Kiel wegen Menschenhandels, Zuhälterei, schwerer Körperverletzung sowie versuchter Erpressung vor Gericht. Er soll zwei Frauen mit Gewalt zur Prostitution gebracht haben. Dem 40-Jährigen drohten bis zu zehn Jahren Haft, das Landgericht Kiel verurteilte ihn jedoch zu vergleichsweise milden vier Jahren und vier Monaten, nachdem er in dem Prozess aus dem angeblichen Innenleben der Hells Angels berichtet hatte.

In einem Plädoyer hatte ihn der Ankläger dafür gelobt, dass er in dem Verfahren gegen Rocker ausgesagt habe und dabei große persönliche Risiken eingegangen sei. In den anstehenden Rockerverfahren könnte er eine Art Kronzeuge sein.

Quelle: SZ


8. Oktober 2012, KN:Kronzeuge gegen Hells Angels Die unglaubliche Geschichte

Von Jörg Diehl

Er ist der derzeit wichtigste Kronzeuge gegen die Hells Angels in Deutschland: Steffen R. sorgte mit seinen Aussagen für Dutzende Ermittlungsverfahren und Großrazzien der Polizei. Doch nun sind Unterlagen aufgetaucht, die an der Glaubwürdigkeit des Kriminellen zweifeln lassen.

Kiel – Steffen R. ist ein kleiner, massiger Mann, den frühere Weggefährten wegen seiner Leibesfülle "Kugelblitz" nennen. Bis die Polizei ihn im Mai 2011 verhaftete, war der Ex-Boxer Gründer und Präsident der Legion 81 in Kiel, eines Unterstützerclubs der Hells Angels, zuständig für Grobheiten aller Art und die Drecksarbeit im Milieu. Das war genau die Art Gelderwerb, die dem gelernten Koch und mehrfach vorbestraften Mann aus Sachsen-Anhalt zu liegen schien.

Schließlich aber sah sich R. einem Ermittlungsverfahren gegenüber, in dem es unter anderem um Zuhälterei, räuberische Erpressung, schweren Menschenhandel, gefährliche Körperverletzung und Bedrohung ging. Acht Monate lang saß Steffen R. in Untersuchungshaft und schwieg, doch Mitte Februar 2012 entschied sich der damals 40-Jährige, die Behörden mit Informationen über seine Rocker-Freunde zu versorgen.

Also erzählte Steffen R. von illegalen Geschäften, von Prostitution, Drogen, Schutzgeld und Mordaufträgen. Es folgte kurz vor Pfingsten 2012 ein massiver Schlag der Polizei gegen die Hells Angels, ein Beamter sprach später von einem historischen Einsatz. 1200 Beamte rückten zur Großrazzia in norddeutsche Gaststätten, Bordelle und Wohnungen aus, die Staatsanwaltschaft leitete rund 200 Ermittlungsverfahren gegen 69 Beschuldigte ein. Bei dem Hells-Angels-Fürsten Frank Hanebuth in Hannover flog sogar die Elitetruppe GSG 9 ein, erschoss einen Hund und stürmte die Villa.

Neue Dokumente aufgetaucht

Der Grund: Steffen R. hatte Hanebuth beschuldigt, er habe den seit Jahren vermissten Kieler Türsteher Tekin B. umbringen lassen. Noch vor Gericht wiederholte der Aussteiger diese Geschichte, die ihm angeblich mehrere Hells Angels auf einer Weihnachtsfeier erzählt hatten. Götz von Fromberg, Hanebuths Rechtsanwalt, wies die Vorwürfe zurück und mahnte: "Dieser Belastungszeuge sagt die Unwahrheit und muss genau unter die Lupe genommen werden."

Tatsächlich sind nun Dokumente aufgetaucht, die an der Glaubwürdigkeit des Kronzeugen zweifeln lassen. So hatte das Landeskriminalamt (LKA) Sachsen-Anhalt bereits am 1. September 2003 in einem Rundschreiben ("VS – Nur für den Dienstgebrauch") alle Landeskriminalämter, das Bundeskriminalamt, das Zollkriminalamt und den Bundesgrenzschutz ausdrücklich "vor einer Zusammenarbeit" mit Steffen R. gewarnt: Er "hat sich mehrfach als unzuverlässig erwiesen", schrieb ein Erster Kriminalhauptkommissar seinen Kollegen in der Republik, "und sich Dritten offenbart. Es wurde festgestellt, dass er sich Informationen über die Vorgehensweisen der Polizei beschaffen wollte, um selber gefahrlos Straftaten begehen zu können."

Diese Warnung allerdings hielt die schleswig-holsteinischen Ermittler acht Jahre später nicht davon ab, sich stärker auf R. zu verlassen als jede Behörde zuvor.

Hinweise auf "Nationalsozialistischen Untergrund"

Dabei versuchte Steffen R., sich wenig später auch an anderer Stelle beliebt zu machen. Beim Bundeskriminalamt (BKA) wollte der Kriminelle die noch unglaublichere Geschichte an den Mann bringen, dass die Kieler Hells Angels dem Terrortrio des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) etwa ein Dutzend Schusswaffen verkauft hätten, unter anderem ein Sturmgewehr vom Typ AK 47. Sein Kumpel Adrian M. von der Legion 81 habe Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe aus diesem Grund 2009 am Timmendorfer Strand beherbergt, berichtete R.

Zudem wusste der Informant angeblich von einer Unterstützungsparty für das Trio: ausgerichtet 2002 in der ehemaligen Trommelfabrik in Weißenfels unter anderem vom Thüringer LKA und dem dortigen Verfassungsschutz. Zschäpe habe vor laufenden Kameras der Behörden wüste Hetzreden geschwungen: "Der bewaffnete Kampf gegen den Staat und die Ausländer muss weitergehen."

Das BKA prüfte die Behauptungen und stellte im Juli 2012 eindeutig fest, dass R. "die Sachverhalte frei erfunden hat beziehungsweise reale Begebenheiten mit erfundenen Details vermengt hat, um sie interessanter zu gestalten". So heißt es in dem Vermerk, der auch nach Kiel versandt wurde. Es könne Steffen R. dabei um finanzielle Vorteile gegangen sein, mutmaßte der Kriminalbeamte, oder um die Aufnahme in das Zeugenschutzprogramm des BKA.

Letztlich kam Steffen R. dann wegen seines vermeintlichen Wissens über kriminelle Rocker im Zeugenschutzprogramm des Kieler Landeskriminalamts unter – und strafrechtlich zudem ziemlich glimpflich davon. Wegen Bedrohung, gefährlicher Körperverletzung und schweren Menschenhandels verurteilte ihn das Landgericht Kiel gerade einmal zu gut vier Jahren Haft.

Kein Kommentar vom LKA

Sind die norddeutschen Ermittler also auf einen Aufschneider hereingefallen? Das LKA Schleswig-Holstein wollte sich auf Anfrage nicht zu den Vorgängen äußern. Die Staatsanwaltschaft Kiel verwies darauf, dass Steffen R.s Angaben bereits zu mehreren Anklagen geführt hätten, die demnächst verhandelt würden. Im Fall des angeblichen Auftragsmords an Tekin B. liefen die Ermittlungen noch, hieß es.

Laut Steffen R. hatten mehrere Rocker ihr Opfer B. im April 2010 in eine Falle gelockt, in einer Werkstatt stundenlang gequält und gedemütigt, bis ihm einer ins Gesicht oder in den Hals geschossen habe. Zunächst sei der Körper des Toten in einem Müllcontainer neben einer Lagerhalle in Altenholz bei Kiel versteckt worden. Als die Hells Angels dann das Fundament einer neuen Halle gegossen hätten, sei die Leiche dort einbetoniert worden, berichtete Kronzeuge R.

Das Problem nur ist: An dem beschrieben Ort gab es keine Leiche. Wochenlang drehten Kriminaltechniker aus Bund und Land jeden Zentimeter der besagten Lagerhalle um, meißelten den Beton auf, setzten Hunde ein, fuhren Spezialgerät auf, doch sie fanden nichts. Der Besitzer der Lagerhalle fordert inzwischen Hunderttausende Euro Schadenersatz vom Land.

Quelle: spiegel


9. Oktober 2012, SHZ: Spitzel, Lügner, Kronzeuge

Ex-Rocker vor Gericht

Steffen R. behauptet, das NSU-Terrortrio sei in Kiel gewesen, was gelogen ist. Sind die Ermittler der Soko Rocker auf einen Geschichtenerzähler hereingefallen?

Kiel. Der Fall des "Hells Angels"-Kronzeugen Steffen R. (40) schlägt weiter Wellen. Aussagen, die der Ex-Rocker zur rechtsextremen NSU gemacht hat, waren gelogen – was die Frage aufwirft, welchen Wahrheitsgehalt seine übrigen Behauptungen haben. Die Kieler Staatsanwaltschaft stützt sich bei ihren Ermittlungen gegen die Kieler "Hells Angels" auf den verurteilten Straftäter, aber hat Steffen R. die Behörden manipuliert, um eine mildere Strafe zu erhalten und ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen zu werden?

Maßgeblich für die bislang größte Razzia gegen Rocker im Norden war die Aussage von Steffen R., die Kieler "Hells Angels" hätten den türkischen Ex-Türsteher Tekin Bicer im Fundament einer Lagerhalle einbetoniert. Eine Leiche wurde dort jedoch nicht gefunden.

"Tot in einem Zuflussrohr"

Es ist allerdings nicht das erste Mal, das Steffen R. mit Informationen zu einem Vermissten aufwartete. Für Oberstaatsanwalt Hans-Jürgen Neufang aus Naumburg an der Saale (Sachsen-Anhalt) war die Suche nach Tekin Bicer wie ein Déjà-vu. Eine solche Geschichte hatte Steffen R. Ermittlern bereits in seiner alten Heimat erzählt. Der Oberstaatsanwalt: "Es ging um einen verschwundenen Imbissbetreiber türkischer oder kurdischer Herkunft." Steffen R., der 1998 vom Landgericht Halle wegen Brandstiftung zu sechs Jahren Haft verurteilt worden war, meldete sich damals aus dem Vollzug. "Er sagte, der Vermisste liege tot in einem Zuflussrohr der Saale", so Hans-Jürgen Neufang. Eine Suchaktion mit Hundertschaften und einem Hubschrauber begann. Eine Leiche konnte nicht gefunden werden.

Steffen R. aber wurde 2001 vorzeitig aus der Haft entlassen. "Die Erfahrung, dass sich die Zusammenarbeit mit der Polizei auszahlt, dürfte er mitgenommen haben", sagt Neufang. Dazu zählte auch die Bereitschaft von Steffen R., als V-Mann für die Behörden zu arbeiten. Unter dem Decknamen "Herzbube" trug er Informationen aus der rechten Szene zusammen, während er gleichzeitig um Weißenfels im Süden Sachsen-Anhalts ein Bordell-Imperium schuf. Steffen R. setzte seine Prostituierten, teilweise waren es Minderjährige, unter Heroin, zwang sie mit Schlägen zum Anschaffen.

Kaufte NSU-Trio Waffen in Kiel?

Die Behörden beendeten die Zusammenarbeit mit ihm aber erst, als Steffen R. in einem Prozess wegen Zuhälterei seine Tätigkeit als Spitzel offenlegte und seinen V-Mann-Führer Holger G., heute Kriminalrat, schwer belastete. Im September 2003 gab das LKA Sachsen-Anhalt einen Vermerk heraus, in dem es vor einer Zusammenarbeit mit Steffen R. warnte. Der wurde zu drei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt, die er in Schleswig-Holstein absaß, da er auch Mittäter belastet hatte. Im Norden knüpfte er Kontakte zu den "Hells Angels", wurde Chef der Unterstützergruppe "Legion 81", die die Drecksarbeit im Milieu erledigte.

Das brachte ihn 2011 erneut vor den Haftrichter und in U-Haft – Steffen R. packte aus. Er berichtete nicht nur über die Rocker, sondern auch über das NSU-Terrortrio. So will er im Auftrag der Landeskriminalämter Sachsen-Anhalt und Thüringen eine von den Behörden bezahlte Neonazi-Party veranstaltet haben, bei der Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe gegen 23.30 Uhr aufgetaucht seien. Und 2009 soll das Trio sogar in Kiel gewesen sein. "Die beiden Uwes und die Beate" seien gekommen, um Waffen zu kaufen. Ein Maschinengewehr, eine Maschinenpistole, mehrere Pistolen sowie Schrotflinten hätten sie bekommen, damit auf die "Alte Meierei", ein Zentrum der Linken in Kiel, geschossen.

Lügen für den Zeugenschutz?

Laut Bundesanwaltschaft stimmt an diesen Aussagen nichts. Derartige Waffen seien bei dem Trio auch nicht gefunden worden. Es sei davon auszugehen, dass der Zeuge "bewusst wahrheitswidrige Angaben" gemacht habe, heißt es aus Karlsruhe. Warum? Ein Mithäftling von Steffen R. berichtete Ermittlern, er habe R. 2011 in der JVA Neumünster den Tipp gegeben, dass man Leute belasten müsse, die bekannt seien, damit man Zeugenschutz bekomme. Diesen Rat befolgte Steffen R. offenbar.

"Es wäre nicht nötig gewesen", heißt es aus Ermittlerkreisen in Kiel. "Als Rocker-Aussteiger hätte er den auf jeden Fall erhalten." Die Warnung vor Steffen R. wurde beim Kieler Landeskriminalamt erst vor knapp drei Wochen kommuniziert. Das sei jedoch unerheblich, da Steffen R. in Kiel kein V-Mann gewesen sei. "Für Zeugen gibt es keine Warnhinweise", so ein Ermittler. "Sie müssen gehört, ihre Aussagen geprüft werden. Und das haben wir getan." Bei den Rockern sei vieles zutreffend gewesen. Das brachte Steffen R. statt zehn milde vier Jahre ein, dazu ein Lob vom Staatsanwalt.

Wie wird seine Glaubwürdigkeit heute beurteilt? Die Kieler Oberstaatsanwältin Birgit Heß sagt: "Dazu geben wir keinen Kommentar ab."

Quelle: SHZ


7. September 2012, KN:Verein legt Widerspruch ein

Platzverbot in Kiel
Von Von Günter Schellhase

Kiel. Weiter Ärger um „Bollstein“: Nachdem Kiel am Donnerstag der Initiative die Nutzung des Nordmark-Sportfeld für ein Fußballturnier fristlos gekündigt hat, geht der Streit weiter. Der Verein hat Widerspruch eingelegt. Auch ein ehemaliger Platzwart hat sich gemeldet.

Kiel. „Ich habe vor Jahren die Stadt darauf hingewiesen, dass dort fremdenfeindliche Plakate aufgehängt wurden“, sagte Platzwart Gerhard Uslar gegenüner KN-online. Neonazis des Clubs 88 aus Neumünster sollen 2008 an dem Turnier teilgenommen haben. „Bollstein“ legte Widerspruch ein. Uslar habe sich gewundert, dass während der Turniere Banner mit faschistischen Äußerungen offen gezeigt wurden. „Ich habe das weiter gegeben, aber nichts ist passiert“, sagte der Mann, der bis 2011 das Nordmark-Sportfeld betreut hat. „Das Amt für Sportförderung bekam 2009 einen Hinweis, dass der Club 88 aus Neumünster im Vorjahr an dem Turnier teilgenommen habe“, sagte Stadtsprecher Tim Holborn. Die Polizei habe daraufhin das Turnier 2009 beobachtet, machte aber angeblich keinerlei derartige Beobachtungen.

Der Bürger, der das Nordmark-Sportfeld anmieten wollte, hat am Freitag per Fax bei der Stadt Widerspruch gegen die fristlose Kündigung eingelegt. „Dieser Widerspruch ist aus unserer Sicht substanzlos. Die Kündigung bleibt in Kraft. Vorsorglich wurde auch ein Betretungsverbot ausgesprochen“, sagte Holborn. Die Polizei ist alarmiert: „Wir sind in Bereitschaft und werden präsent sein“, sagte Polizeisprecher Bernd Triphahn.

Quelle: KN


6. September 2012, KN: Stadt verbietet Fußball-Turnier

Rechtsradikalismus
Von Olaf Albrecht

Es sollte ein sportliches Ereignis auf dem Kieler Nordmarksportfeld werden. Doch die Freizeit-Kicker des Vereins "Bollstein" können ihr Turnier am Wochenende nicht austragen. Die Stadt hat am Donnerstag die Veranstaltung verboten. Begründung: Kiel sei kein Ort für Neonazis.

Kiel. Der Hintergrund: Mitglieder und Funktionsträger der Vereinigung „Bollstein“, die vor fünf Jahren im Stadtteil Mettenhof entstanden ist, haben sich mehrmals ausländerfeindlich, diskriminierend und rassistisch geäußert. Zudem wird aus dem Kreis des Klubs nachhaltig für die Unterstützung rechtskräftig verurteilter Rechtsradikaler geworben. „Das ist für die Landeshauptstadt Kiel und die Menschen, die hier leben, in keinster Weise tragbar“, so Kiels Bürgermeister Peter Todeskino. Darum blieb nur die fristlose Kündigung für das Nordmarksportfeld, wo die Vereinigung am Sonnabend ihr fünfjähriges Bestehen mit einem Straßenfußballturnier feiern wollte. „Die Landeshauptstadt ist kein Ort für Neonazis“, so Todeskino.

Quelle: KN


16. Juli 2012, NDR: NPD-Kundgebung in Kiel aufgelöst

Gesichert von einem großen Polizeiaufgebot haben am Montagmittag knapp 250 Menschen in der Kieler Innenstadt gegen eine Kundgebung der NPD demonstriert. Die Redebeiträge der etwa zehn Anhänger der rechtsextremen Partei wurden von lautstarken Unmutsäußerungen übertönt. Nach nur wenigen Minuten war die Aktion beendet. "Es wurde so unruhig und so gefährlich, dass wir die Kundgebung auflösen mussten", sagte der Leiter des Kieler Ordnungsamtes, Manfred Rotzoll.

"NPD kein Forum für ihre Hetze bieten"

Die Polizei löste die Veranstaltung in Kiel aus Sicherheitsgründen nach wenigen Minuten auf. Zu der Gegendemonstration hatten die Jugendorganisationen der schleswig-holsteinischen Koalitionspartner, SPD, Grüne und SSW aufgerufen. Es sei wichtig, "dass wir der NPD kein Forum für ihre Hetze bieten und der Partei entschieden Kontra geben", sagte der Sprecher der Grünen Jugend Schleswig-Holstein, Tilmann Schade. Die Kieler Polizei war mit zahlreichen Kräften vor Ort. Sie wurden von Kollegen aus Eutin unterstützt.

Quelle: NDR


16. Juli 2012, SHZ: NPD-Demonstrationen aufgelöst

Lautstarker Protest
dpa

Demonstrationen der rechtsextremen NPD in Kiel und Neumünster sind am Montag in Protesten politischer Gegner untergegangen.

Kiel / Neumünster. In Neumünster wurde am Nachmittag eine NPD-Demonstration mit etwa 15 Teilnehmern aus Sicherheitsgründen kurzerhand verlegt, weil am ursprünglichen Veranstaltungsort laut Polizei 50 bis 60 Gegendemonstranten für einige Unruhe gesorgt hatten. Es sei friedlich geblieben, hieß es.

In der Landeshauptstadt Kiel hatte die Polizei bereits am Mittag im Zentrum eine Veranstaltung beendet, nachdem rund 250 Gegendemonstranten die Aktion von nicht einmal zehn NPD-Leuten lautstark gestört hatten. "Es wurde so unruhig und so gefährlich, dass wir die Kundgebung auflösen mussten", sagte der Leiter des Kieler Ordnungsamtes, Manfred Rotzoll.

Die rechtsextreme NPD veranstaltet derzeit Kundgebungen in mehreren deutschen Städten. Schon im Vorfeld hatten andere Parteien zum Protest aufgerufen.

Quelle: SHZ


16. Juli 2012, KN: Zwei NPD-Demos im Norden aufgelöst

Kiel und Neumünster
Von Beate König

Demonstrationen der rechtsextremen NPD in Kiel und Neumünster sind am Montag in Protesten politischer Gegner untergegangen. In Neumünster wurde die Demo mit etwa 15 Teilnehmern aus Sicherheitsgründen kurzerhand verlegt, weil am ursprünglichen Veranstaltungsort laut Polizei 50 bis 60 Gegendemonstranten für Unruhe gesorgt hatten.

Kiel/Neumünster. Es sei friedlich geblieben, hieß es. In der Landeshauptstadt Kiel hatte die Polizei bereits am Mittag im Zentrum eine Veranstaltung beendet, nachdem etwa 250 Gegendemonstranten die Aktion von nicht einmal zehn NPD-Leuten lautstark gestört hatten. "Es wurde so unruhig und so gefährlich, dass wir die Kundgebung auflösen mussten", sagte der Leiter des Kieler Ordnungsamtes, Manfred Rotzoll.

Aus der angemeldeten Kundgebung der NPD auf dem Großflecken vor dem Alten Rathaus in Neumünster wurde am Montag nichts. Der Lautsprecherwagen der rechtsextremen Partei musste auf den Platz an der Rudolf-Weißmann-Straße ausweichen. Die Stadt hatte das aus Sicherheitsgründen angeordnet. Rund 150 Gegendemonstranten fanden sich auch am neuen Kundgebungsplatz ein: „Haut ab! Nazis raus“ und „nie mehr Auschwitz“ skandierten sie. Während vom Lkw der NPD mit Aufrufen gespickte Reden mit Musik abwechselten, versuchten von der Zufahrt Ringstraße Demonstranten mit Trillerpfeifen, Tröten und Vuvuzelas die Kundgebung zu übertönen.

Angelika Beer vom Bündnis gegen Rechts erklärte zur Gegenkundgebung: „Jedes Stück Demokratie, das wir freigeben, besetzen die Rechten.“ Die Polizei war mit Beamten aus Kiel und Eutin, die die Neumünsteraner unterstützten, stark vertreten.

Quelle: KN


25. Mai 2012, KN: Wie im Film: SEK stürmte die falsche Wohnung

Razzia gegen Rocker
Von Günter Schellhase

Als wäre sie in einem falschen Film gelandet: Kurz vor fünf Uhr krachte es Donnerstagmorgen an der Wohnungstür in der Königstraße in Holtenau, dann guckte Tanja Ritter in 15 Gewehrmündungen.

Kiel. „Ich wurde angebrüllt, die Hände zu heben und ruhig zu bleiben“, sagte die 42-Jährige mittags noch total schockiert. Das Spezialeinsatzkommando der Polizei hatte sich bei der Razzia gegen die Hells Angels in der Tür geirrt.

„Die Vermummten standen in meinem Schlafzimmer um mein Bett herum und haben mich dann gefragt, wo Gutsche ist. Der wohnt im Keller, habe ich geantwortet.“ Die Polizisten hätten sich entschuldigt und seien gleich nach unten gestürmt. „Dann habe ich unten Lärm gehört, da haben sie wohl auch die Tür eingeschlagen.“ Nach Informationen der Kieler Nachrichten hatten es die Polizisten auf den Kieler NPD-Ratsherrn Hermann Gutsche abgesehen, der im selben Haus im untersten Geschoss lebt. Ein Sprecher der Polizei wollte das weder bestätigen noch dementieren.

Nach Auskunft von Tanja Ritter war das NPD-Mitglied aber nicht in seiner Kellerwohnung. Später seien Beamte zusammen mit Gutsche aufgetaucht und mit ihm in dessen Wohnung verschwunden. Ein möglicher Grund für die Durchsuchung ist eine Verbindung zwischen Hells Angels und rechter Szene in Bezug auf Waffenhandel. Mit in ihrer Wohnung sei auch ein Staatsanwalt gewesen, an dessen Namen sich Tanja Ritter nicht erinnern kann. Sie sei von ihm darüber aufgeklärt worden, dass sie Schmerzensgeld beantragen könne. Drei Minuten dauerte der überfallartige Spuk, dann war Tanja Ritter wieder allein in ihrer Wohnung und kochte sich erst einmal einen Kaffee. „Ich war so verdattert.“ Der Sohn, mit dem sie mitten in der Nacht telefonierte, stand um kurz nach fünf vor der Tür, „um mich zu beruhigen“. Wenig später tauchte ein Sanitäter auf. „Der hat meinen Puls gefühlt, aber der war in Ordnung.“ Die Feuerwehr hängte die Wohnungstür wieder notdürftig ein.

Tanja Ritter fuhr zu ihrer Mutter nach Hassee. „Dann bin ich zum Arzt gegangen und habe mich für den Tag krankschreiben lassen.“ Ihr Arbeitgeber, ein Friseurmeister in Nortorf, habe volles Verständnis gehabt. Sie sagte gestern: „Wenn man denkt, so etwas passiert nur in US-Krimiserien, hat man sich getäuscht. Das habe ich selbst erlebt und kann darauf ein weiteres Mal gerne verzichten. So etwas sehe ich lieber im Film.“

Quelle: KN


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