Vokü Schwarz/Rot: Erich Mühsam

Datum: 27.01.2010
Uhrzeit: 19:00 Uhr

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Vokü Schwarz/Rot: Leben und Werk Erich Mühsams

Im Jahr 2010 soll es wieder jeden Monat die ‚Vokü Schwarz/Rot‘ geben. Immer am letzten Mittwoch im Monat wird es neben dem gewohnten Fressgelage beim genussvollen Astra Themenabende aus den Bereichen libertärer Kultur und Politik geben.

Zum Start haben wir Jürgen-W. Goette, Vorstandsmitglied der Erich Mühsam Gesellschaft aus Lübeck eingeladen. An diesem Abend wird der Lebensweg und die zentralen Standpunkte Mühsams beleuchtet. Dazu gehören: Pazifismus, Anarchismus, Revolution und Räterepublik. Schwerpunkt ist die Frage: Wie aktuell ist Mühsam? Wie ist Mühsam in Ost und West rezipiert? Nach der Meinung des Referenten findet Mühsam immer noch und immer wieder Interesse wegen seines unbeirrbaren Lebensweges. Mühsam wollte sich nicht fügen: „Sich fügen heißt lügen“, so lautet einer seiner wohl bekanntesten Aussagen. Neben dem Vortrag, Lesung und Musikbeispielen hoffen wir im Anschluss natürlich auch auf interessierte Nachfragen und eine angeregte Diskussion.

Mittwoch, 27.1.2010 um 20:00 Uhr in der Alten Meierei, Hornheimer Weg 2 (Kiel)

„Links von den Parteien“

Ein Abend mit Vortrag, Lesung, Musikbeispielen zu Leben und Werk des anarchistischen Schriftstellers und Dichters Erich Mühsam. Von und mit Jürgen W. Goette, Vostandsmitglied der Erich Mühsam Gesellschaft, Lübeck

Erich Kurt Mühsam wurde am 6. 4. 1878 in Berlin geboren, und am 10. 7. 1934 im Konzentrationslager Oranienburg von den NationsozialistInnen ermordet. Den Großteil seiner Kindheit verlebte Mühsam jedoch in Lübeck, wo sein Vater Siegfried Seligmann als Apotheker arbeitete. 1896 wurde Erich Mühsam wegen „sozialistischer Umtriebe“ vom Gymnasium ausgeschlossen, so dass er seinen Abschluss in Mecklenburg nachholte. Diskriminierung und Ausschluss erfuhr Erich Mühsam bereits in jungen Jahren nicht bloß wegen seiner politischen Überzeugungen, sondern auch durch den in der deutschen Gesellschaft des Kaisertums latent präsenten Antisemitismus, der ihm und seiner liberal-jüdischen Familie entgegenschlug. Er flüchtete sich von der Provinz nach Berlin, wo er in den Kreisen der literarischen Boheme eine Lebensnische fand. Unter dem Einfluss seines Freundes Gustav Landauer eignete sich Erich Mühsam die anarchistische /anarcho-syndikalistische Theorien Proudhons, Bakunins und Kropotkins an, und entwickelte sich zum einflussreichsten literarischen Vertreter des Anarchismus in Deutschland vor und nach dem ersten Weltkrieg. Außerdem veröffentlichte er mit „Die Homosexualität. Ein Beitrag zur Sittengeschichte unserer Zeit“ 1903 eine philosophische Sozialstudie, die als Meilenstein im Kampf gegen sexuelle Ausgrenzung/Unterdrückung angesehen werden kann; das ein heterosexueller Mann praktische und politische Solidarität mit lesbischen und schwulen Menschen öffentlich ausübte, war eine europaweite Sensation.

Ab 1909 lebte Erich Mühsam in München, wo er sich u.a. mit Heinrich Mann anfreundete, und die Gruppe ‚Tat’ zwecks Agitation des Subproletariats für den Anarchismus ins Leben rief. Dies führte 1910 zu seiner ersten Verhaftung wegen „Geheimbündelei“. Nach dem Ausbruch des ersten Weltkrieges versuchte Erich Mühsam, in allen am Krieg beteiligten Ländern linke Oppositionelle zu einem „internationalen Bund der Kriegsgegner“ zusammen zu bringen. Ab 1916 organisierte er von diesem Ansatz ausgehend Streiks und Demonstrationen gegen den Krieg im Umkreis München, was noch im Frühjahr 1918 zu einer erneuten Inhaftierung wegen Vaterlandsverrat führte. Im Zuge der Massenerhebungen Ende 1918 befreit, wurde er zum populärsten und radikalsten Verfechter des Rätesystems, wie es in Bayern bis zum Sieg der Freikorps 1919 existierte. Nach der Niederlage im Bürgerkrieg wurde Erich Mühsam zu 15 Jahren Haft Verurteilt, nach 6 Jahren 1924 aber amnestiert. In dieser Zeit im Gefängnis schrieb er sein proletarisch-revolutionären Einigungsprogramms „links von den Parteien“.

Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis zog Erich Mühsam erneut nach Berlin und engagierte sich in der Roten Hilfe. Zudem betätigte er sich mit neuer Vehemenz als Dichter, um in dieser Form als einer der Ersten vor dem Erstarken des Nationalsozialismus zu warnen. In Folge dessen wurde Erich Mühsam auch einer der ersten prominenten politischen Opfer des deutschen Faschismus: am 28.2.1933 wurde er verhaftet, im Januar 1934 ins KZ nach Oranienburg verschleppt; nach 14 Monaten Folter und Misshandlung schließlich von der SS am 10.7.1934 ermordet. „Seine Unbeugsamkeit wurde zum Symbol des antifaschistischen Widerstands.“ (Erich Mühsam Gesellschaft, Lübeck)