Meierei-Vollversammlung

Datum: 27.09.2014
Uhrzeit: 10:00 Uhr

Veranstaltungsort
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Kategorie:


Vollversammlung zum Zustand der Alten Meierei und darüber hinaus


Wir laden dich ein, egal ob Konzertbesucher*in oder -veranstalter*in, Voküköch*in, Aktivist*in, Genoss*in, Bewohner*in, Sympathisant*in…

Auf dem Nutzer*innenPlenum (NP) der Alten Meierei und in anderen Runden wurden in letzter Zeit verschiedene Diskussionen über die aktuelle Situation der (radikalen) Linken und der politischen Subkultur in Kiel, ihre Inhalte und ihre Orte geführt. Es gab und gibt im Umfeld der Meierei Auseinandersetzungen, die momentan Auswirkungen auf größere Teile der Kieler Szene haben. Es geht um den richtigen oder falschen Umgang untereinander, um politische Auseinandersetzungen, die fokussiert auf die Alte Meierei ausgetragen werden, jedoch auch eine allgemeine Tragweite für die linken Strukturen und Subkulturen in Kiel haben.

Es zeigt sich wieder einmal das Problem, dass mangelnde Kommunikation und Diskussion über gemeinsame Standpunkte, Inhalte und Vorstellungen an bestimmten Stellen zu spontan und heftig auftretenden Streitpunkten führen, dass Erwartungen enttäuscht oder gar nicht erst verstanden werden, dass sich Frustration breit macht.

Die Meierei wurde letztes Jahr 30 Jahre alt. Wir blicken zurück auf über 30 Jahre linke Politik, auf praktische Selbstorganisation, solidarische Entscheidungsprozesse und viele viele unkommerzielle Veranstaltungen. Dass es die Meierei schon so lange gibt liegt aber natürlich vor allem daran, dass es immer Nutzer*innen und Bewohner*innen gegeben hat, die sich auch für das gesamte Projekt verantwortlich gefühlt haben, verbindlich Aufgaben übernommen und den Raum auch außerhalb eigener Veranstaltungen mitgestaltet haben und den politischen Kampf um den Erhalt des Ladens bereit waren zu führen.

Viele der Menschen, die sich heute im Umfeld des Projektes bewegen, sind noch nicht einmal 30 Jahre auf dieser Welt, die Generationen der Nutzer*innen der Alten Meierei verändern sich. Das heißt auch, dass die politischen Grundsätze, auf denen eine politische Subkultur aufbaut, immer wieder neu mit Leben gefüllt und diskutiert werden müssen.

Im vergangenen Jahr gab es die Idee eine Vollversammlung linker außerparlamentarischen Strukturen in Kiel zu organisieren, ausgehend von dem Projekt Alte Meierei, da dieses stellvertretend und als Spiegel für weitere Strukturen von Subkultur und linker Szene, wie z.B. das Li(e)berAnders in Gaarden, stehen kann. Leider scheiterte die Vorbereitung an mangelnder kontinuierlicher Beteiligung, ein Spiegel unserer Situation.

Nun haben einige nochmal einen Anlauf genommen, denn Stagnation bringt uns nicht weiter.

Die Alte Meierei lebt nur durch uns selber! Darum gibt es die Initiative für eine große Versammlung der Menschen, Gruppen und Strukturen im Umfeld der Alten Meierei und darüber hinaus, die ein Interesse am Projekt Meierei, an einer Debatte um Inhalte und Praxis von selbstorganisierter Politik und Leben in Kiel haben. Die Initiative kommt aus dem Nutzer*innenplenum und wurde von einem gesonderten Vorbereitungstreffen inhaltlich und praktisch vorbereitet.

Wir müssen diskutieren, was die Meierei für uns ist oder sein sollte. Welche Bedeutung hat die Meierei eigentlich noch? Brauchen wir sie? Wofür? – Als Konzertschuppen, indem wir günstigen feiern können? (In der Pumpe wäre es doch wenigstens warm!) Wäre es von Belang wenn es sie nicht mehr geben würde?

Oder ist die Meierei nicht viel mehr? – Ein Ort der politischen Auseinandersetzung, indem wir uns selbstbestimmt bewegen, organisieren und aktiv werden können? Wenn ja, warum bleiben dann trotz sich zuspitzender gesellschaftlicher Verhältnisse linke Räume (z.B. Meierei, Li(e)berAnders, Infoladen Hansastraße) ungenutzt?

Haben wir kein Bock mehr auf Selbstorganisation und autonome Politik? Oder warum beteiligt sich kaum noch eine*r an der Alten Meierei und an anderen linksradikalen und subkulturellen Projekten? Sind die Strukturen zu intransparent? Gibt es zu wenig Anschlussmöglichkeiten für Menschen, die sich gerne einbringen möchten? Liegt es an fehlendem Interesse aneinander? Oder an mangelnd geführten politischen Diskussionen? Und welche politischen Vorstellungen, Ansichten und Meinungen haben wir eigentlich? Und können diese miteinander existieren? Welche verschiedenen Perspektiven kommen zusammen wenn wir an einem gemeinsamen Projekt arbeiten?

Um u.a. diese Fragen gemeinsam zu diskutieren laden wir zur Vollversammlung ein!

Wenn du dich angesprochen fühlst, du dich auch häufig darüber ärgerst, wie es läuft bzw. nicht läuft oder du dir ganz andere Fragen stellst, dann komm vorbei und bring deine Ideen/Themen/Kritik mit ein!
Es geht um unsere Räume und Strukturen und um die Zukunft der Alten Meierei!

Deshalb: Am 27.9. zur Vollversammlung!

Ablauf & Programm:

Open Doors + Kaffee ab 10 Uhr
VV-Beginn um 11 Uhr
Angepeiltes Ende ca. 18 Uhr

Dazwischen längere Mittagspause mit VoKü
Abends Tresen + Konzert von Henri Parker (Folk aus Kiel/HH)

FÜNF THESEN AN DENEN WIR DISKUTIEREN WOLLEN…

1) Wenn selbstbestimmt und unkommerziell bei günstigen Drinx und erschwinglichem Eintritt aufhören, ist es eigentlich auch egal ob es die Meierei gibt oder nicht. Groß stören würde es wohl die Wenigsten.

Die Meierei ist für uns mehr als nur ein rottes Bauwerk. Doch ist kaum etwas von diesem „mehr“ zu sehen geschweige denn erleb- und erfahrbar. Weder wird die Meierei als Raum des politischen Experimentierens genutzt, noch als Übungsfeld kollektiver Sozialstrukturen, als Ausgangsbasis für die Bereicherung linksradikaler Politik in Kiel und zur Intervention in soziale Kämpfe gesehen. So kam beispielsweise niemand (egal ob NP, VoKü, Bewohner*innen, Konzertgruppen oder andere Nutzer*innen) überhaupt erst auf die Idee, sich in den aktuellen Kämpfen um die Roten Flora solidarisch zu positionieren, ganz davon zu schweigen, dass sich die Meierei als Projekt in soziale Kämpfe einmischt, die den eigenen Szene-Kosmos übersteigen.

Noch schaffen wir es auf subkultureller Ebene den DIY-Gedanken am Leben zu erhalten, zu oft getragen von einigen wenigen Menschen die sich abrackern und dafür leider in die Ecke der politischen/subkulturellen Dienstleister*innen gepresst werden. Vielen dieser Nutzer*innen liegt primär die günstige und gute Infrastruktur der Meierei am Herzen und weniger das Projekt als Ganzes, der politischen Gehalt bleibt auf der Strecke. Von daher würde die Inexistenz der Meierei als politisches Projekt wohl kaum jemanden stören – wer konsumieren will findet sicher einen anderen Laden dafür. Nun ja, billiger Wohnraum ist schon schwieriger zu bekommen, aber sicherlich ließe sich dafür auch eine Möglichkeit aufspüren.

2) Die gesellschaftlichen Verhältnisse werden immer krasser, unsere Antwort sind Resignation und Elendsverwaltung. Die einzige Aufgabe die unsere Räume in dieser Situation haben, ist die Versorgung mit günstigem Essen, Getränken und Ablenkung um die Gesamtscheiße individuell ertragen zu können. Mehr kann man doch gerade eh nicht machen.

Nur die absolute Verelendung der Massen setzt letztlich das Potential zur Veränderung frei. Folglich wäre es kontraproduktiv, ja geradezu konterrevolutionär, jetzt schon Strukturen aufzubauen die diesem sozialen und ökonomischen Elend entgegenwirken. Richtungen in den Raum zu stellen, wohin es gehen könnte und Power zur Umwälzung dieses unerträglichen Zustands zu entfalten: Dafür ist die Masse noch nicht bereit.

Spaß beiseite. Der Utopieverlust der Linken, (oder mit dem Zynismus Thatchers: „there is no alternative“) also der Verlust einer Vorstellung, wo es im Großen und Ganzen eigentlich hingehen kann und sollte, macht auch nicht Halt vor dem Kleinen und Speziellen, also z.B. unseren Räumen. Das ist kein exklusives Problem der Alten Meierei, sondern findet sich in vielen linken Projekten wieder, bestes lokales Beispiel ist der Libertäre Laden. Somit haben wir zwar bestenfalls noch Gebäude, in denen wir uns relativ selbstbestimmt entfalten könnten, wissen aber letztlich nichts mit ihnen anzufangen. Also sollten wir nicht (nur) die Frage danach stellen, warum nichts passiert, sondern: was soll passieren? Dafür ist es notwendig in eine gemeinsame Diskussion zu gehen.

3) Der Meierei-Veranstaltungszirkel hat doch alles im Griff! Mehr als Eintritt zahlen und sich ein zu Bier bestellen ist nicht notwendig. Es gibt doch immer Programm in der Meierei…!

Unter anderem dadurch bedingt, dass wenig Leute in der Meierei gerade viel leisten müssen (hinter dem Organisieren von Veranstaltungen und Konzerten steckt immer viel Arbeit, welche im Endprodukt für „Außenstehende“ zum Teil gar nicht erkennbar ist) ist es schwer hinterher zukommen und die Struktur, die Basisarbeit in der Meierei für alle transparent zu machen. So ist es z.B. kaum noch möglich, neben dem Finanzstress oder dem Instandhaltungsstress etc. permanent hinterher zu sein um neue Leute in die Geheimnisse eines selbstverwalteten Zentrums einzuweihen oder mitzuziehen. Da sich so einiges an Frust angesammelt hat, weil viele zwar die Intransparenz kritisieren, letztlich, wenn die Übernahme von Verantwortung gefragt ist, sich doch ganz schnell wieder verdrücken, erledigt mensch das Anfallende dann halt eben mal „schnell“ selbst. Der Nerv wird dadurch allerdings nicht geringer, und die Lust auf eine Frage wie: „Ich würde hier gerne was machen, was gibt’s denn so zu tun und wie geht das?“ zu reagieren sinkt rapide.

Sich die Zeit dafür nehmen zu wollen und zu können, Transparenz herzustellen, liegt also auch an euch. Indem ihr etwas Beständigkeit zutage legt, und euer Recht einfordert mitmachen zu können, oder euch vielleicht auch einfach mal umguckt und loslegt.

4) …Und wenn ich doch mal Bock hätte etwas zu machen, wüsste ich bei den undurchsichtigen Strukturen auch gar nicht wie ich das anstellen sollte…

Eigentlich sollte es in unseren Strukturen anders laufen: aber die (informellen) Hierarchien machen es äußerst schwer Anschluss an die bestehenden linken Projekte zu finden. Sich erst „durchboxen“ zu müssen um anerkannt zu werden, ist häufig eine demütigende Angelegenheit, und wenn mensch dann noch nebenbei gezwungen ist, komplett festgefahrene Abläufe aufzuknacken um überhaupt erst den eigenen Ideen Gehör verschaffen zu können, verwundert es nicht, dass „Neue“ motiviert hinzukommen, und dann schnell frustriert wieder abziehen. Ein Spruch im Sinne von „Ihr meint es ja eh nicht ernst“ ist dann nur noch das Nachtreten, wenn sich es die „Aktiven“ leicht machen um ihren Mangel an Reflexionsvermögen und Willen zu kaschieren.

5) So viele verschiedene Vorstellungen und Meinungen lassen sich doch eh nicht in einem Raum (wie der Meierei) verwirklichen!

Wir streben ja bekanntlich das Paradies auf Erden an. Und da der Weg auch schon zum Ziel gehört, versuchen wir es jetzt schon in unseren Projekten umzusetzen. Konflikte stören die Harmonie und verursachen nur schlechte Stimmung. Unsere Lösungsidee: Wie müssen nur alle der gleichen Meinung sein, dann gibt es keine Probleme mehr Und wir können uns um die wirklich wichtigen Dinge kümmern. Und damit wir alle wirklich Eins werden können, damit wir spüren dass wir zusammengehören, sollten wir nicht nur gedankliche Abweichungen verabscheuen, sondern uns auch in unserem äußeren Erscheinungsbild annähern, dann fühlt sich keine*r mehr ausgegrenzt.
Das Paradies, oder?

NEIN! Wir sehen die Heterogenität der Meierei-Nutzer*innen als eine Stärke, durch die sich erst eine Dynamik entfaltet und ein politisches und kulturelles Zentrum wirklich belebt. Es darf also nicht darum gehen, dass sich eine Linie, eine Idee wie die Meierei genutzt werden kann durchsetzt. Das erfordert ein hohes Maß an Konfliktfähigkeit, gegenseitigen Respekt, und setzt den Willen voraus, über den eigenen Tellerrand hinausschauen zu wollen und zu erkennen, dass der jeweilige Focus darauf, welche Arbeit wichtig ist, nicht der einzig bestehende ist.

Die durch die Vielfältigkeit resultierenden Konflikte sind kein nerviges Übel welches mensch aussitzen und welchem ausgewichen werden muss, sondern sie sind Bestandteil dieser Lebendigkeit. Und sie sind ein Lernfeld, mit Konflikten einen anderen Umgang zu finden, als wir es gesellschaftlich erlernt haben. Nicht Konkurrenz, nicht das gegenseitige Ausspielen, nicht das Unterbuttern sind Praxen, mit denen wir in der Meierei weiterkommen.

Wenn du nach dem Lesen dieser Thesen vor Widerspruch, Unverständnis und Rage nur so schäumst, es dich wütend macht weil du dem Gelesenen zustimmen und etwas dagegen unternehmen musst oder mit dem Ganzen gar nichts anfangen kannst und eine komplett andere Position hast, bist du herzlich eingeladen am 27.9.2014 zur Vollversammlung in die Alte Meierei zu kommen!