AXE RASH, HAG / 20.06.2019 – Kiel, Alte Meierei

Geschrieben von Philipp (Dremufuestias)

Was hat euch fasziniert, als ihr das erste Mal eine Hardcore/Punkband gesehen habt? Ein*e Sänger*in, der/die permanent über die Bühne tobt und fliegt, die pure Energie der Band, dazu vielleicht noch inspirierende Ansagen bzw Texte? So war es jedenfalls für mich, als ich in den 80ern Bands wie MDC, NAUSEA, YOUTH OF TODAY etc. erleben durfte, häufig in (Läden wie) der Meierei. Über die Jahre hat sich das Genre ausdifferenziert und in unzählige Subbezeichnungen aufgeteilt, Emo, Screamo, Post Hardcore und so weiter. Das ist auch gut so, Weiterentwicklung hält die Chose frisch. Aber die rohe Power und das entfesselte Auftreten genannter Beispiele findet mensch nur noch selten. Auch das ist nicht zwangsläufig ein Manko! Ich mag es, wenn eine Shoegaze-Combo sich in ihrer Musik verliert und zwischen den Songs sensible, häufig traurige oder ernste Statements äußert. Doch wenn dann mal wieder eine Explosion auf der Bühne stattfindet, als Beispiel aus den letzten Jahren fallen mir spontan IRON ein, dann ist das schon schön!

Fotos von Svetlana Grigorieva.

Inhaltlich wurden Themen wie Sexismus, Tough guy-Bullshit, Gender-Konstruktion, (fehlende) Toleranz etc. im Grunde bereits in den 80ern/90ern debattiert, allerdings hatte sich gesellschaftlich und auch subkulturell nur wenig und extrem langsam verändert. In den letzten Jahren hat sich aber definitiv einiges getan, was wir nicht zuletzt an der Existenz einer hiesigen Konzertgruppe wie BIKINI KIEL sehen, die in der männerdominierten Szene ausschließlich Bands buchen, die wenigstens zum Teil FLTQI*s unter ihren Mitgliedern haben. Genau diesem Verständnis folgend verfahren die Bookingleute um Maja von QUEERS TO THE FRONT. Vor dem Konzert bietet Maja einen Vortrag unter dem Titel „Between estrogenes and tough-guy Hardcore“ an. Das Ding wird inhaltlich wie folgt angekündigt: “Maja started giving talks on her experiences as a trans*woman within the DIY music scene and the wider music industry both as an artist and as a booking agent/tour manager. She operates her international tour service ’Queers to the front Booking’ and puts on DIY shows in Germany. She identifies as trans*female and uses the pronouns ‘she/her’.” Folglich erzählt sie ihre Lebensgeschichte und die Philosophie hinter QTTF. Besonders anschaulich schildert sie die negativen Reaktionen, die die bloße Existenz einer solchen Bookingagentur hervorruft. Die entsprechenden Idioten-Mails kann man sich leider nur zu gut vorstellen. Gute Aktion, sehr interessant. Schade nur, dass so einige Leute, die sich auf Shows in Kiel tummeln und das gut mal hätten hören dürfen, heute gerade nicht vor Ort sind.

Die Hütte ist richtig gut gefüllt, als erst HAG und dann AXE RASH in unsere Gesichter explodieren. Jaa, genau so hatte ich mir das beim Anblick der Livefotos erhofft (Musik hab ich mir vorher nicht angehört)! Obwohl auf dem Flyer steht, dass AXE RASH aus Stockholm und Uppsala kommen, HAG hingegen aus Malmö, gibt es personelle Überschneidungen: Die Sängerin von HAG spielt bei AXE RASH Bass, während die HAG-Bassistin bei AXE RASH singt. Hä? Doch, isso. Ob nur kurzfristig für die Tour oder permanent, entzieht sich meiner Kenntnis, ist ja auch nebensächlich. Jedenfalls gibt es unnachgiebig peitschende Drums, fies fräsende Riffs und vor allem ultra-aggressiven, angepissten Gesang. Dazu haben beide Sängerinnen eine heftige Präsenz, rollen sich über den Boden, springen in die Menge, vollführen obszöne Gesten und kotzen dir die Wut über die Beschissenheit der Dinge entgegen. Ich merke selbst gerade, dass ich irgendwie beide Bands in einem abhandele, aber hier bietet sich das auch an. Silistisch ähneln sich HAG und AXE RASH durchaus, wobei bei letzteren die Riffs vielleicht noch etwas scharfkantiger ausfallen. Naja, beide gehen nicht gerade filigran vor, was aber eben diese Wucht bewirkt, die hier transportiert wird. Totale Zerstörung! Textlich geht es um Machtmissbrauch, Diskriminierung, sexuelle Belästigung oder Doppelmoral („You’ve got high standards / But I’m low, so fucking low / Why can only boys be assholes / When I’ve got one too / Double standard / Double pressure / Double standard / Ass positive hardcore!“).

Mega Abend, wenn ich irgendwas nicht ganz optimal finde, dann höchstens den Sound, der nicht ganz so brilliant ist wie in der Meierei gewohnt. Ob das daran liegt, dass es heute eine Floorshow ist? Ass zum Beispiel weigert sich immer, Floorshows zu mischen, was ja nur heißen kann, dass dabei irgendwelche Sounddefizite auftreten. Egal, geht ja heute nicht um Bachs fucking „Wohltemperiertes Klavier“, sondern um den Knüppel zwischen die Augen. Mission erfüllt!

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