AGE OF WOE, SARKAST, TERRITON / 05.11.2016 – Kiel, Alte Meierei & THE BRISTLES, EAT THE BITCH – Kiel, Hochbunker

Übertrieben viel ist das ja wohl, was heute in Kiel abgeht. Da wäre zum einen das feine INFERNAL CRUST BRIGADE-Happening mit AGE OF WOE et al, dann die Schweden-Punx von THE BRISTLES mit den Hamburger*innen EAT THE BITCH im Hochbunker UND die Geburtstagssause im Subrosa. Nach Rendsburg zu SLYMER könnte man außerdem auch. Und was alles in Hamburg veranstaltet wird, will ich schon gar nicht mehr wissen. Denn ich entscheide mich: Priority No. 1 ist na klar das Herb-Grtrümmer und vielleicht ist danach ja noch ein wenig Zeit für Konzert-Hopping…

von dremufuestias.de

Die Kieler von TERRITON zocken bereits, als ich die Meierei entere. Sofort erkenne ich den Sänger, der schon in diversen Death-Metal-Bands in der Region geshoutet hat. Und auch den Drummer hat mensch bereits sein Kit verhauen sehen, z.B. bei IMPLORE. Nur klingt das heute irgendwie komisch. Ich bin mir fast den ganzen Auftritt über nicht sicher, was mich am Sound so irritiert. Ich vermute zunächst irgendwelche Effekte, wundere mich gleichzeitig darüber, dass gar keine Monitorboxen auf der Bühne stehen. Letztlich ist es gar kein Zuviel, sondern eher ein Zuwenig: Leider sind heute alle Mischer verhindert, welche sich mit der Meierei-PA auskennen und eine Bekannte der ICB hilft zwar aus, fährt aber zur Sicherheit lediglich die Gesangsanlage. Die Gitarre kommt also tatsächlich nur aus den Boxen der Musiker, während der Gesang und (ich glaub auch) das Schlagzeug über die Gesangsanlage abgenommen werden. Dazu kommt, dass die Band noch keinen Bassisten hat… Das gibt insgesamt ein etwas komisches Klangbild. TERRITON sind davon ab aber ganz geiles Gemeter zwischen Grindcore und Death Metal. Dem Gitarristen kann ein glückliches Händchen für fiese Riffs attestiert werden, das Drumming ist pure Raserei und der kahlköpfige Sänger röhrt und growlt passabel, wenngleich er heute leicht heiser ist. Mal gucken, was wir von denen in Zukunft so zu hören bekommen. Grind on!

Auch SARKAST greifen zum Knüppel statt zur Nagelfeile: Crust’n’Grind wuchtet sich aus den Boxen (leider nur nicht aus den großen). Der Sänger bekommt von mir einen Sympathiebonuspunkt, weil er das ganze Konzert lang aufm Boden im Kreis wetzt, wiederholt seine Kappe verliert und dazwischen politische Ansagen macht. Rise & fight! Mit Stücken wie „Umnachtung im Abendland“ oder „DogMarktisch“ blasten die Bremer eine Schneise der Verwüstung durch die Meierei. Es sind heute übrigens einige Leute gekommen, die sonst nicht in der Meierei zu sehen sind – vielleicht trägt Herbs mühsame Arbeit ja endlich mal Früchte. So langsam dürfte sich auch in Kiels Extrem-Metal-Szene mal herumsprechen, was für Hammerbands die ICB hier ständig ranholt! SARKAST gehören dazu.

„Einigen schwedischen Death-Metallern genügt das ewige HM-2-Gerödel offenbar nicht mehr.“ (ROCK HARD # 354) „Göteborg-Sound der komplett anderen Art.“ (DEAF FOREVER # 14) Und nicht zuletzt: “Eine expressive Hardcore-Scheibe, die den Spagat zwischen purer Energie und dem aktuellen Trend zu mehr Atmosphäre und ambitioniertem Songwriting aus effektive Art und Weise meistert.“ (Habi auf DREMUFUESTIAS) Diese Rezis zum neuen Album von AGE OF WOE haben mich aufhorchen lassen. Und doch bin ich nicht vorbereitet auf diesen utraflashigen Trip! Die Freaks kommen bereits optisch nicht wie die typische Death-Metal-Band aus der Nachbarschaft rüber. Die beiden Gitarristen haben Dreadlocks bis über die Knie, der eine trägt eine Art Kaftan und Schluppen dazu. Egal. Ist das überhaupt noch Death Metal oder schon etwas ganz Anderes? Traditionell ist am ehesten noch der Sänger, welcher ganz fantastisch growlt und einem LG Petrow in nichts nachsteht. Aber so eine Art postapokalyptische Atmo hat noch keine Schwedendeathband kreiert! So richtig abartig schwerer Doom wird mit eigenständigen Melodien kombiniert, Töne erzeugen Breitwandlandschaften. Wie schön wäre jetzt die volle Power der PA! Aber auch so holen die Mischerin und AGE OF WOE alles raus, was geht. Die Besucher*innen stehen teilweise völlig fassungslos mit offenem Mund da und wanken nur noch hin und her. Ab und zu wacht man quasi auf und beginnt manisch zu headbangen. Geiles Konzert – holt euch „An Ill Wind Blowing“ (erschienen auffem War Anthem-Label der PSOA-Veranstalter)!

Schnell rüber zum Hochbunker geradelt, wo ich noch einen Teil des EAT THE BITCH-Konzerts sehe. Hurra! Jona und ihre Bande sind eindeutig noch besser geworden. Geht voll nach vorne. Der Gesang kommt angriffslustig und beißt so richtig schön. Natürlich ist der Sound im Bunker mal wieder voll der Untergang, aber irgendwie stört das keine_n. Der Bunker ist recht gut besucht, sodass zu viele bekannte Hackfressen dort rumlaufen, um alle mit ‘ner hinreichenden Begrüßung zu würdigen. EAT THE BITCH haben auch was Neues aufgenommen und ich hoffe, dass sich da ein paar Leute zusammentun, um das auf Vinyl rauszuhauen. Ich kauf das dann auch. Die Hamburger*innen sind übrigens mit dem Zug angereist und fahren später mit Schienenersatzverkehr zurück, der geschlagene viereinhalb Stunden braucht! Einsatz, ey!

Die folgende Verkettung von Zufällen würde man in einem Roman oder in einem Hollywoodstreifen als zu konstruiert empfinden: Ein Schönberger Bekannter hat heute Geburtstag und hatte zum Feiern inne Erbse geladen. Dort landet u.a. auch Umlandpunker Sascha, der ihm eine BRISTLES-LP schenkt. Aber nur, weil er die gerade zu Hause liegen hatte. Und der ebenfalls anwesende Dremu-Knipser Jan ML bemerkt lässig nebenbei: „Ah, schenkst du ihm die, weil die Band heute in Kiel spielt?“ Tatsächlich wusste das bis jetzt kein Arsch! Und da die Party in der Erbse wohl irgendwann nicht mehr so schockt, nimmt das Geburtstagskind gleich zehn Leute spontan mit aufs Konzert. Schon mal geil. In erwähntem Roman müssten sich jetzt zwei Leute dort treffen, die sich kennen, ohne es zu wissen oder so. Ja, und mich schnackt plötzlich ein Typ aus der Geburtstagsgruppe an, ob ich nicht vor zwei Jahren in Wacken gewesen sei, er glaube, ich habe mich in eins seiner Fotos gebombt. Und – fuck! – tatsächlich trifft mich der Erinnerungsblitz: Vor zwei Jahren in Wacken stand ich hinter ‘ner Gruppe und betrieb zum reinen Zeitvertreib ein wenig Fotobombing. Ich dachte natürlich, dass der Fotograf und seine Hood von sonstwoher kommen, Australien oder so. Und jetzt treff ich den Knipser wieder, er erkennt mich und es stellt sich raus, dass er aus Kiel kommt. Das Bild hab ich jetzt auch… Ach ja, zwei von den Menschen, hinter denen ich ‘ne Flunsch ziehe, heißen auch Wolter…

THE BRISTLES zelebrieren indes voll das Massaker, Raw Punk mit Crust-Einschlag, aber durchaus noch rudimentären Melodien. Die Band existiert seit 1982 und alle Bandmitglieder haben seitdem offenbar die Kerze an beiden Enden angezündet. Es gibt zwei Sänger, von denen der eine aufgrund irgendeiner Versehrung nicht länger stehen kann und daher im Knien singt. Das sieht sauanstrengend aus. Der Gitarrist brennt richtig und scheint jeden Moment zu explodieren, während der im Hintergrund agierende Bassist eher gerade zu sterben scheint. Diese rohe Power erzeugt herrliche Szenen im Publikum. Einige pogen quer durch den Saal und wieder zurück, andere brüllen jeden Refrain mit.

Als der Spuk vorüber ist, zieht der unermüdliche Teil der Gesellschaft noch weiter ins proppevolle Subrosa und feiert dort noch bis morgens um sieben Uhr…