Sa. 16.1.16 NMS: Die rechte Mobilmachung stoppen – gegen den Naziaufmarsch von „Neumünster wehrt sich“!

SAME PROCEDURE AS LAST YEAR, ANTIFA!?
Die rechte Mobilmachung stoppen – Kein Naziaufmarsch in Neumünster!

Am Samstag, 16.1.2016 wollen Neonazis und andere RassistInnen unter dem Namen „Neumünster wehrt sich“ abermals versuchen, gegen Asylsuchende und
für eine „deutsche Zukunft“ aufzumarschieren. Wir rufen dazu auf, ihnen auch dieses Mal nicht einen einzigen Meter Straße zu überlassen und ihre
Zusammenrottung zu verhindern.

Das Jahr in dem wieder Flüchtlingsheime brannten

Die turbulenten Entwicklungen des Jahres 2015 haben die antifaschistische und antirassistische Linke in Deutschland vor veränderte, große
Herausforderungen gestellt. Während noch zu Beginn des Jahres insbesondere von Antifa-Gruppen die Abkehr von der überholt geglaubten Feuerwehrpolitik gegen Neonazis und andere rechte Umtriebe sowie eine Hinwendung zum
gesellschaftlich verankerten Angriff auf den kapitalistischen Gesamtzusammenhang diskutiert wurden, ließen die Realitäten der zurückliegenden Monate am Ende kaum etwas anderes zu, als eine
Rückbesinnung auf diejenigen Praktiken, über die man eigentlich hinauszugehen trachtete: Bundesweit tägliche Übergriffe auf Geflüchtete
und Brandanschläge auf ihre (geplanten) Unterkünfte, von bürgerlichen Rechten und offen auftretenden FaschistInnen gleichsam getragene
rassistische und nationalistische Massenmobilisierungen, die Etablierung
der „Alternative für Deutschland“ (AfD) als mittlerweile eindeutig rechtspopulistische Partei und parlamentarischer Ausdruck des reaktionären
Mobs auf der Straße offenbarten einen spürbaren Rechtsruck in Deutschland. Damit einher ging die unverhohlene Rückbesinnung eines Teils der deutschen Gesellschaft einschließlich einiger VertreterInnen des politischen Establishments auf die völkische Ideologie im öffentlichen Diskurs. Mit
dessen zunehmender Intensität im Verlauf des Jahres, insbesondere als die Festung Europa für einige Wochen ins Wanken geriet und hunderttausende Menschen auf ihrer Flucht vor Krieg, Armut und Unterdrückung binnen
kürzester Zeit den Weg nach Mittel- und Nordeuropa schafften, wodurch besorgte RassistInnen abermals ihr Abendland dem Untergang geweiht sahen und zur verbalen und physischen Gewalt gegen die Ärmsten der Armen
schritten, waren Antifaschist_innen landauf landab gezwungen, den alltäglichen Schreckensmeldungen hinterher zu eilen, um zumindest dem Schlimmsten vorzubeugen. Dort wo die Kräfteverhältnisse es zuließen, konnten wichtige Teilerfolge erzielt und die RassistInnen in Schranken verwiesen werden, anderswo war es ihnen möglich teils über Wochen und Monate Geflüchtete und ihre Unterstützer_innen ungestört zu terrorisieren.

Krise im Schlaraffenland: Wenn sich der deutsche Spießer wehrt…

Die rechte Mobilmachung begann jedoch lange bevor die Zunahme der Fluchtbewegungen aus den Kriegsgebieten dieser Welt überhaupt abzusehen
gewesen ist, außer mitunter für solche, die sich schon vorher ernsthaft für die katastrophalen Lebensbedingungen von flüchtenden Menschen vor und in der Peripherie der Festung Europa interessiert haben. Als die xenophoben und irrationalen „PEGIDA“-Mobilisierungen mit ihrer wirren Mischung aus Rassismus, Privilegienangst, Verschwörungsdenken und reaktionär gewendeter beliebiger Unzufriedenheit vor gut einem Jahr ihren
ersten Höhepunkt erreichten, war ihr zentraler Aufhänger der Wahn von einer so bezeichneten „Islamisierung“ Europas. Erst nachdem die Bewegung zwischenzeitlich abgeflaut war und zu zerfallen drohte, setzte sie die Hetze gegen Asylsuchende an die Spitze ihrer Agenda. Nach Personalwechseln an der „PEGIDA“-Spitze müssen die fanatisierten Horden, die sich nach wie vor Woche für Woche in Dresden versammeln und auch viele ihrer bundesweiten, namentlich variierenden Nachahmer mittlerweile zweifellos als moderne faschistische Bewegung eingeordnet werden: Getäuscht durch das falsche Sicherheitsversprechen der bürgerlichen Gesellschaft und geplagt von der Angst um den eigenen Status Quo in Zeiten der andauernden
kapitalistischen Krise, rebelliert das unbewusste, lustfeindliche und autoritär deformierte Subjekt gegen die Realität und schlägt auf alles ein, von dem es glaubt, es könne ihm etwas wegnehmen. Dass der rechte Wutbürger als Feinbild Nummer 1 derzeit Asylsuchende auserkoren hat, ist zwar naheliegend – tritt er doch bevorzugt nach unten, hat ohnehin Angst vor allem vermeintlich Fremden und als Rechtfertigung sein rassistisches Weltbild parat -, aber austauschbar. Die derzeitige reaktionäre Formierung auf der Straße hat mit der Ankunft der Geflüchteten zwar einen mobilisierungsstarken Aufhänger gefunden, bleibt aber nichtsdestotrotz ein davon losgelöstes Produkt der krisenhaften und entfremdeten bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft. Radikaler Antifaschismus muss
diesen Zusammenhang offenlegen und angreifen.

Alles ruhig im Land der Horizonte?

Im bundesweiten Vergleich sind die Auswirkungen der rechten Mobilmachung in Schleswig-Holstein bisher glücklicherweise überschaubar gewesen,
wenngleich keineswegs ausgeblieben. Traurige Tiefpunkte waren Brandanschläge auf geplante Geflüchtetenunterkünfte in Lübeck, Escheburg
und Flensburg. Insgesamt kam es nach offiziellen Zahlen insgesamt zu 30 rassistischen Angriffen im Land. Größere rechte Mobilisierungen blieben
dagegen weitestgehend aus: Einen handlungsfähigen „PEGIDA“-Ableger hat es
zu keinem Zeitpunkt gegeben und auch sonst zündete die Hetze von organisierten RassistInnen eher selten. Als in der Ortschaft Boostedt bei
Neumünster eine erweiterte Erstaufnahmeeinrichtung für 2000 Asylsuchende
eröffnet wurde, drohte die Stimmung, befeuert von NPD, AfD und „besorgten Bürgern“, zwar kurzzeitig zu kippen, wurde jedoch von der beeindruckenden
Unterstützungsarbeit vieler Boostedter_innen für die Geflüchteten schlussendlich in den Schatten gedrängt. Die sogenannte Herbstoffensive der AfD, die anderswo tausende RassistInnen auf die Straße brachte, beschränkte sich im hohen Norden auf einige Infostände, die häufig mit
Protest und Widerstand konfrontiert worden sind. Die NPD mobilisierte mit ihren sporadischen Auftritten in Mittelholstein nie viel mehr als ihre
Handvoll verbliebener Aktivpfosten um Daniel Nordhorn und Mark Proch und blieb unter sich. Nichtsdestotrotz brodelte es zumindest in sozialen
Netzwerken und Kommentarspalten des Internets im ganzen Land, auf die Straße drang die Hetze jedoch kaum.

Erst zum Ende des Jahres ließen sich Neonazis und RassistInnen in – für hiesige Erfahrungen der letzten Jahre – nennenswerterer Größenordnung in
der Öffentlichkeit blicken, als ein Social-Media-Zusammenschluss namens „Neumünster wehrt sich“ am 14. 11.2015 zu einer Demonstration gegen die „Asylflut“ aufrief. Verantwortlich zeichneten sich bekannte Aktivisten aus der über Jahre angestammten, wenn auch zuletzt relativ um sich selbst kreisenden rechten Szene Neumünsters um Manfred Riemke und Manuel Fiebinger (früher „AG Neumünster“) mit weiterer landesweiter Unterstützung etwa des Neonazi-Sonderlings Enrico Pridöhl aus Neukirchen (Ostholstein). 100 TeilnehmerInnen folgten der Internet-Mobilisierung, die mehrheitlich eindeutig dem Neonazi-Spektrum angehörten. Obwohl der Aufmarsch, wie schon
die letzten Gehversuche von Neonazis in Neumünster von 2010 und 2012, an
antifaschistischen Gegenaktionen sowie dem eigenen Dilettantismus scheiterten und die angestrebte Inszenierung eines rassistischen
Bürgerprotests misslang, stellte die Aktion eine Neuerung dar, die Antifaschist_innen nicht ignorieren dürfen. Denn erstmalig seit Jahren hat
sich eine neu formierte Konstellation von Neonazis ohne weite Teile der NPD gefunden, die eigenständig eine überregionale Mobilisierung
durchführte. Dies hatte für die Szene offensichtlich eine höhere Attraktivität, als die kläglichen Parteirituale der schleswig-holsteinischen Rest-NPD und so ließen sich auch eine Reihe alter
Bekannter in Neumünster blicken. So beteiligten sich etwa eine Gruppe um das einstige „AG Eutin“-Mitglied Sebastian Struve, der auch als Redner
auftrat, Alexander Kuhr (früher „AG Dithmarschen“) oder auch Thomas Krüger, langjähriger Weggefährte Peter Borcherts und im Jahre 2008 Angehöriger der frühen „AG Kiel“.

Auch wenn der erste „Neumünster wehrt sich“-Aufmarsch vom 14.11. für die Veranstalter alles andere als ein Erfolg gewesen ist – so endete er
bereits nach wenigen Metern an den Blockaden von über 400 Antifaschist_innen und die TeilnehmerInnenzahl blieb unterm Strich
nichtsdestotrotz übersichtlich -, sollte die Dynamik, die sich potentiell aus der neuen Konstellation mit alten Kontakten entwickeln könnte, nicht
unterschätzt werden. Denn ein Grund, weshalb die bundesweit ihr Unwesen treibenden rassistischen Mobilisierungen zwischen Nord- und Ostsee noch
nicht Fuß fassen konnten, ist auch, dass eine organisatorische Kraft fehlte, die in der Lage gewesen ist, dem vorhandenen rechten Potential
eine Plattform zu bieten. Dass insbesondere Neumünster über ein solches Milieu verfügt, verdeutlicht der über Jahre etablierte und vitale rechte Subkultursumpf, der sich alltäglich in Absteigen wie „Unsere kleine Kneipe“, „Titanic“ oder dem „Party-Time-Club NMS“ tummelt oder sich im
„Athletik Klub Ultra“ vom ehemaligen „Club88“-Betreiber Tim Bartling in Kampfsportarten ausbilden lässt.

Die Versuche einer neonazistischen Neuformierung im Land gilt es im Keim zu ersticken, dazu müssen wir ihren ProtagonistInnen jedes auch noch so
kleine Erfolgserlebnis nehmen. Unser Mittel wird vor, am und nach dem 16.1. der kontinuierliche, organisierte und konsequente antifaschistische
Widerstand sein!

One Struggle, One Fight: Zusammen gegen Nazis, staatlichen Rassismus und
Kapitalismus!

Wenn wir uns diesen Januar in Neumünster wiederholt den Nazis und RassistInnen in den Weg stellen, geschieht dies aus der selben Motivation
heraus, mit der wir uns in den vergangenen Monaten in die Unterstützung von Refugees zur konkreten Verbesserung ihrer Flucht- und
Lebensbedingungen eingebracht haben; mit der wir gegen die permanenten Asylrechtsverschärfungen der Bundesregierung im Schatten von „Willkommenskultur“ einerseits und „PEGIDA“ andererseits ankämpfen; aus´der heraus wir die Kollaboration der EU-Regierungen mit Terrorstaaten wie der Erdogan-Türkei oder Saudi-Arabien zur Flüchtlingsabwehr ablehnen; mit
der wir „Nein“ sagen zu jeder Beteiligung am eskalierenden Gerangel der ökonomischen und geostrategischen Interessen der Imperialmächte innerhalb des mörderischen Krieges in Syrien, vor dem ein Großteil der Asylsuchenden gezwungen gewesen ist zu fliehen; und mit der wir gleichfalls antreten mit der kapitalistischen Gesellschaftsordnung zu brechen, des Kampfes Aller gegen Alle und der Ausbeutung und Unterdrückung des Menschen durch den
Menschen, die neben dem globalen Trümmerfeld eben auch Abscheulichkeiten wie rassistische Bürgerhorden und Neonazis ausgebiert. Wir hassen Nazis und RassistInnen, weil wir das Leben lieben!

Wir rufen alle Antifaschist_innen und Antirassist_innen aus Schleswig-Holstein dazu auf, als weitere kleine Etappe auf dem steinigen
aber alternativlosen Weg zu einem solidarischen, freien und gleichberechtigten Miteinander ohne Rassismus, Krieg und Konkurrenz dem
Naziaufmarsch in Neumünster entschlossen entgegen zu treten.

They shall not pass – für ein antifaschistisches 2016!

Autonome Antifa-Koordination Kiel
SAMSTAG, 16. JANUAR 2016 / 13 UHR / NEUMÜNSTER:

Antifaschistische Aktionen gegen den Naziaufmarsch von „Neumünster wehrt
sich“
HINTERGRÜNDE & LETZTE INFOS:

Donnerstag, 14. Januar 2016 / 19 Uhr / Antifa Café in der Alten Meierei
(Hornheimer Weg 2) / Kiel
ACHTET AUF AKTUELLE ANKÜNDIGUNGEN:

www.antifa-kiel.org | antifanms.blogsport.de