Melodien wie Sumpfblüten im Morast

Unaussprechlichen Kulten, Zombiefication, Incarceration / 14.09.2014 – Kiel, Alte Meierei

Was für eine Art Mensch kann etwas gegen ein Kaffee- und Kuchenbuffet haben? Vielleicht dieselbe Art kümmerliche Arschgeige, welche es auch als völlig unmetallisch empfindet, dass ein Extrem-Metal-Konzert als Matinee stattfindet und obendrein noch in einem eindeutig antifaschistischen Laden. Denn letzteres sei ja ganz schön intolerant. Da werde man nur wegen eines T-Shirt-Motivs ausgeschlossen. Total repressive Zensur und so.

Das denk ich mir übrigens gerade nicht etwa aus. Derart hohle Kommentare gab es wirklich in der fb-Einladung zu dieser Veranstaltung. Ich hab gut gelacht. Aber letztlich sind die Typen, die so und ähnlich „argumentiert“ haben, wohl schmollend zu Hause geblieben. Eindeutig das Beste für alle.

Und während die einen schmollen, genießen wir intolerante Kuchenfreaks das Leben. Klemsen hat sich ordentlich Mühe gegeben und fünf verschiedene Kuchen gebacken (ich weiß jetzt nicht, wer die beiden anderen beigesteuert hat). Gegen zwei Euro Spende kann man mampfen und Kaffee saufen, bis die Bauchdecke spannt. Lecker Kram bei.

Schon beim Soundcheck klingt das alles laut, fett und geil. Die Laune steigt, ich switche mal auf Bier und freue mich auf INCARCERATION.

Gegen 18.30 Uhr oder so geht es dann auch tatsächlich Matinee-gerecht los. Es ist mit 50 – 60 Nasen gar nicht schlecht besucht (für Kieler Verhältnisse und an einem Sonntag). INCARCERATION sind so was von geil! Ich hab sie im Juli bereits im Bambi Galore genossen und erkenne auch heute wieder, dass dat exakt der Stil Death Metal ist, wie ich ihn mag. Schön geradlinig auf die Birne, dennoch mit ausreichend Abwechslung versehen, dass es nicht vorhersehbar wird. Und so schmissige Refrains wie in „Forsaken And Forgotten“ oder „Sacrifice“ muss man erst mal schreiben! Das letzte i-Tüpfelchen ist die Tatsache, dass INCARCERATION mit Daniel an Gitarre und Gesang einen extrem charismatischen Freak am Start haben. Seine Klamotten sind mittlerweile mit noch mehr Patches zugeklatscht als beim letzten Mal, und wenn er uns übers ganze Gesicht strahlend die Pommesgabel zeigt, kann man nur mitgrinsen und den Gruß erwidern. Dieses Jahr kommt wohl noch das Debutalbum. Das KANN nur gut werden!

Die Mexikaner von ZOMBIEFICATION sind für einige Besucher_innen heute die beste Band des Abends. Ich genieße den Auftritt zwar ebenfalls, präferiere jedoch Unaussprechlichen Kulten und Incarceration. Mir klingen Zombiefication etwas zu „rund“, wenn man das so sagen kann. Das mag an der Zusammenstellung liegen, da die beiden anderen Bands einfach dreckiger, atmosphärischer und irgendwie asozialer lärmen. Aber das ist nun wirklich SEHR relativ – denn die dirty Mexicans punkten mit sehr groovigem Drumming, eingängigen Riffs und fiesen Röchelgrowls. Da kann man schon herrlich sein Becken kreisen lassen, den Drink gen Hallendecke recken und die Rübe schütteln.

Die Kirsche auf dem veganen Kuchen stellen allerdings UNAUSSPRECHLICHEN KULTEN aus Chile dar. Bei Shub-Niggurath, das hat Atmosphäre! Der mit Nietenarmbändern schick gewandete Sänger kreischt so herrlich fertig, dass es eine wahre Pracht ist. Gern röhrt er irgendwelche unverständlichen Laute auch mal ohne Mikro ins Rund, was mir besonders gut gefällt. Iah! Iah! Die Gitarren sind auch unbedingt erwähnenswert, denn Riffberge und –schluchten tun sich auf, immer wieder wird das Tempo rausgenommen und abartig schlürfige Parts kontrastieren das übrige Galoppel. Die Gitarristen haben offenbar sehr lange an den Details der Stücke gearbeitet und spielen häufig leicht unterschiedliche, sich ergänzende Schweinereien. Wobei klar sein muss: Atmosphäre steht hier immer über Technik. Der Schlagzeuger zockt mit geradezu meditativer Ruhe. Ich glaube, der hat das mit der Entschleunigung verstanden. Das ganze Set ist immer wieder mit kleinen musikalischen Überraschungen versetzt, hier mal ein gezupftes Finster-Intro, dort plötzlich eine Melodie, welche einer Sumpfblüte gleich dem Morast ihr Dasein abtrotzt. Insgesamt ein vor Leidenschaft und Passion zeugender Auftritt, den ich glatt doppelt so lang hätte genießen können.

Gesagt werden muss leider noch, dass die Chilenen ihr letztes Vinyl über IRON BONEHEAD releast haben, welche in der Vergangenheit auch schon diversen rechten Dreck rausgebracht haben. Die Konzertgruppe hat alle Bands auf diese Tatsache angesprochen und soweit ich weiß, gab es klare und überzeugende Statements. Man hat sich ausdrücklich positiv zu Läden wie der Meierei und dem Antifa-Banner auf dem Flyer geäußert. Ich denke, dass das Problem in der Metal-Szene an sich liegt, die mit einem Label wie IRON BONEHEAD (bzw. der von denen vertriebenen NSBM-Bands) offensichtlich kein Problem zu haben scheint. Da müsste sich eine grundlegende indifferente Einstellung wohl erst mal wandeln. Ich denke, dass es umso wichtiger ist, dass Bands wie INCARATION in AZs spielen und eben nicht nur in den üblichen „unpolitischen“ Metalschuppen.

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