Wat süß!

Kiemsa, m.o.the.r. / 26.11.11 – Kiel, Alte Meierei

Kiemsa auf Abschiedstour – und wenn ich korrekt informiert bin, hat Kiel sogar die Ehre des allerletzten Deutschlandauftritts. Diese letzte Chance auf einen heißen Tanzabend mit den französischen Trötencorelern lasse ich mir natürlich nicht entgehen.

Erst mal duschen, schließlich sind KIEMSA stets optimal frisiert, da darf man nicht stinkig und schmierig hin… Unfasslich: Ich teile mir die Duschkabine tatsächlich mit einer Mücke! Aus Respekt vor derart viel Überlebenswillen und Durchhaltevermögen halte ich dem kleenen Blutsauger doch glatt freiwillig meinen Arm hin. Überleben nicht nur trotz der eigentlich mückenfeindlichen Jahreszeit, sondern vor allem trotz Kerstins Jagdinstinkt. Die hat kürzlich sogar so eine Art elektrischen Mückentotschläger gekauft. Sieht aus wie ein Tennisschläger, hat aber innen einen Draht, der unter Spannung steht, wenn man einen Knopp drückt. Die armen Viecher werden dann unter unangenehmen Schmorgeräuschen gegrillt. „Das geht ganz schnell, die merken gar nichts“, versichert Kerstin mir immer. Ich weiß ja nicht… Mein Einwand, dass eine Mücke nur einen Tag lebe, somit im Vergleich zu einem Menschenleben die Sekunden des Verbrennens für die Mücke subjektiv wahrscheinlich Monate der Höllenqual sind, hat sie irgendwie nicht überzeugt. Bin mir auch nicht sicher, ob das mit dem einen Tag überhaupt stimmt. Das Biest auf meinem Arm kommt mir nämlich gerade irgendwie vertraut vor. Das eine Bein ist etwas länger als die anderen, das stechend-saugende Mundwerkzeug hat eine charismatische Form… Aber ich schweife mal wieder ab, blenden wir vor zur Meierei:

Erwartetermaßen brennt die Hütte bereits um 21.30 Uhr. Da hätte es gar keiner Musik mehr bedurft – die Party ist auch so schon ausgelassen. Ich darf gar nicht erst damit anfanden, aufzuzählen, wen man alles trifft und was für Klatsch und Tratsch verbreitet wird.

m.o.the.r. sind eine Coverband. RAGE AGAINST THE MACHINE heißt ihr Vorbild. Die hab ich zwar mal live gesehen, aber so richtig ins Herz geschlossen hab ich die Band trotz der tollen Texte und der unbestreitbar hervorragenden Musiker nie. Letzterer Aspekt ist dann auch für M.O.The.R. eine Hürde, die nicht zur Gänze genommen werden kann. Der Gesang kommt wirklich recht originalgetreu, aber insgesamt gelingt es meines Erachtens nicht, die Intensität der Stücke so einzufangen, wie es RATM vermochten. Vielen Menschen gefällt es aber sehr gut und bereits jetzt kocht die Meierei.

Päuschen, rausgehen, Bier, Wein, weitere Klatschgeschichten und dann: Kiemsa! Man merkt SOFORT, dass heute nicht lediglich ein Konzert stattfindet. Sowohl auf der Bühne als auch davor wird ein Abschied zelebriert, der emotional wie Sau verläuft. Agil springen die Franzosen auf der Bühne herum, ebenso agil hüpft der Mob auf und ab. Ich bin zu sehr mit Kram bepackt, um agil zu sein, aber da von allen Seiten Tänzer_innen auf mich einprasseln und Nora mal wieder ständig an meinen Haaren zerrt und schnuppert (mein Duftgeheimnis wird übrigens NIE verraten) fühle ich mich doch hinreichend bewegt. Strahlende Gesichter, wohin das Auge blickt. Da ich lediglich die „Eaux Troubles“-Platte besitze, kann ich nur eingeschränkt mit Songtiteln dienen, aber „Orange Duck“, „Tequila Guerilla“, „Dans Le Profondeurs“, „Méchant Pas Content“ und natürlich „Mass Media“ werden unter großem Jubel gezockt. Plötzlich öffnet sich ein Netz an der Decke, welches Dutzende Luftballons entlässt, die durch die ganze Meierei weitergestoßen werden. Die Konzertgruppe Rebeltias verteilt indes Wunderkerzen im gesamten Publikum und wundersamerweise gelingt es, dass die Dinger fast zeitgleich abgebrannt werden. Ein Anblick, der bei Doro Pesch Routine sein mag, hier aber eine schöne Geste an die Band darstellt, die offensichtlich gerührt ist. Wat süß! Da gibt es natürlich Zugaben, Stagevives von Besucher_innen und Musikern und alles, was zu so einem Abschied gehört – sogar Spontanumarmungen von Besucher_innen und Bandmitgliedern. Nur Tränen braucht keine/r zu vergießen, Abschied ist zwar ein scheißscharfes Schwert und so, aber es existieren bereits Nachfolgeprojekte.

Kein R.I.P. also, kein Tschüss, sondern ein Auf Wiedersehen!

www.dremufuestias.de