Veteranentreffen unter Punks

Klownhouse Winterfestival in der Alten Meierei in Kiel
Kiel „Hast du schon mal erlebt, dass Punkrock-Konzerte vor 22 Uhr beginnen?“, antwortet ein Besucher auf der Veranda der Alten Meierei auf die Frage, ob die erste Band schon durch sei. Manche Dinge ändern sich eben nie. Es ist Veteranentreffen, das Klownhouse Winterfestival in der Alten Meierei, und dies trifft auf Künstler und Publikum gleichermaßen zu.

Zu späterer Stunde, nachdem er mit seiner Band The Bristles in der knapp ausverkauften Hütte gezeigt hat, wie man Old-School-Punkrock definiert, steht Sänger Puma sinnierend am Straßenrand. Vermisst er seine schwedische Heimatstadt Landskrona? Fast schon verletzlich wirkt der Mann, wie er da auf dem traurigen Rest Schnee steht – er, der eben noch eine energiegeladene Show abgeliefert hat. 1982 gegründet, haben sich The Bristles auch nach vielen Jahren Pause wieder vereint, waren mit Bristles Song gestartet, einer Nummer der ersten Stunde. Auch andere ältere Songs wie Sick oder Nowhere zünden noch immer. Das Quartett hat auf die alten Tage nichts an Energie verloren.
Dann kommen Jingo De Lunch, also der Grund, warum drei Viertel des Publikums da sind. Frontfrau Yvonne Ducksworth muss sich ihren stimmlichen Raum manches Mal härter erarbeiten, zeigt der neue Gitarrist Gary Schmalzl doch eine beachtliche Präsenz in seinem Spiel. Ansonsten erfreuen Jingo de Lunch durch eine Mischung aus Songs des Debütalbums Perpetuum mobile (Lies, Jingo) und des neuen Werks Land of the Free-ks (Metherfor). Ducksworths kreischend-meckernder Gesang hat nach wie vor hohen Wiedererkennungswert, die Musik zahlt in Punk-, Hardrock- und Crossover-Kassen gleichzeitig ein. Für die einen zeitlos, für die anderen ein alter Hut, doch jeder muss die hohe Professionalität anerkennen, die sich in einem druckvollen Sound entlädt.
Fehlt noch die Legende T.S.O.L., die auf ihrer Europatournee zum ersten Mal seit Bestehen nicht an Kiel vorbei gekommen ist. Aus Kalifornien stammend, gehörte die Band um 1980 rum zum illustren Kreis späterer Giganten wie Bad Religion oder The Adolescents. Da stehen – vielmeht: springen! – sie nun auf die Bühne, allen voran Sänger Jack Grisham. den Jingo-de-Lunch-Gig zu toppen, ist eine schwere Aufgabe, und T.S.O.L. sind stets bemüht, ihrem Headliner-Status gerecht zu werden. Grisham, der einst als Gouverneurskandidat in Kalifornien antrat, weil er sich angeblich keine Krankenversicherung leisten konnte, und gegen Arnold Schwarzenegger verlor, hat sich für den Auftritt in Schale geschmissen, pöbelt, schreit die Parolen einer vergangenen Zeit, die bei diesem schönen Retro-Festival aufleben darf. Ein Besuch, der sich gelohnt hat.