Making Punk Grind Again

Archagathus, Catheter, Social Chaos / 22.07.10 – Kiel, Alte Meierei

Heute hat die Destructioncrew etwas Besonderes zu offerieren: Drei Bands, die Teile unserer geschätzten Dremuschaft bereits letztes Wochenende auf dem OEF in der Tschechischen Republik sehen konnten, und die sicherlich zum Interessantesten gehören, was die geliebten vier Wände der Meierei je in Wallung versetzen durfte. (Natürlich folgt ein OE-Review, aber das dauert noch ein bisschen – 66 Bands wollen erst mal verdaut werden.)

Social Chaos hatten El Tofu und mich, Quatsch, eigentlich unsere gesamte Reisegruppe, bereits letzte Woche begeistert. Wirkten die Brasilianer dort inmitten all der Grind-/Knüppelbands geradezu relaxt punkig, so bin ich doch erst mal geplättet, wie brachial die heute abgehen. Der Drummer tötet gerade meine Trommelfelle, als er die Schallmauer durchbricht. Zumindest fast, denn ich bin mit Proppen in den Lauschern präpariert. Jedenfalls ist der Punkfaktor auf die Riffs und die allgemeine Attitüde zu begrenzen, Drumming und Gebrüll entsprechen eher den Parametern metallischen Grinds. Aber wen interessieren derartige Labels? Vor der Bühne jedenfalls keinen – da kloppen Metaller und Kruste in bester klingonischer Tradition die Stirnknochen aneinander. Die herbeigebrüllte Zugabe kommt in Forn eines Covers der Landsmänner RATOS DE PORAO („Sistemados Pelo Crucifa“ oder „Crucificados pelo sistema“, verwechsel ich immer).

„Making Punk Grind Again“, sagen Catheter und böllern einen Mix zwischen REPULSION, NAPALM DEATH und TERRORIZER aus den Boxen. Der Gitarrist hat leider Probleme mit dem linken Bein, muss häufiger sitzen, was ihn aber nicht daran hindert, sein Instrument rücksichtslos zu malträtieren und Laute ins Mikro zu bölken, die gemeinhin in „unserer Gesellschaft“ eher dem siebten Kreis der Hölle zugeordnet werden. Respekt dafür und gute Besserung! Der Sänger klingt ähnlich fies (allerdings höher und kreischiger), ist agil, springt von den Monitoren und klettert auf die Boxentürme. „Is Kiiiiel as cool as it sounds? “ – „Um, we think not…“ Ach, egal, weiter geht die Grindabfahrt, bis plötzlich Schluss sein soll und der Mob dennoch einen Extratitel einfordert. Gespielt wird doch tatsächlich eine Grindversion von Beastie Boys‘ „(You Gotta) Fight for Your Right (To Party!)”, bei welchem sich zeigt, dass der Sänger auch Hardcore-mäßig shouten könnte. Eine Frage: Hat der zwischendurch wirklich erzählt, dass er heute in der Ostsee baden gewesen sei und dass er überrascht gewesen sei, dass die blau und nicht schwarz ausgesehen habe?

Archagathus… eigentlich fehlen mir die adäquaten Worte… Zunächst fällt auf, dass diese Band auf konventionelle Songwritingstrukturen verzichtet. Erstmal muss man sich einen Weg durch das Klangdickicht bilden, um zu raffen, was gerade passiert. Danach… rafft man es immer noch nicht. Man sollte von den Kanadiern keine (eingängigen) Refrains oder überhaupt sich wiederholende Strukturen erwarten. Es wirkt fast, als ob die Band ihren Kram im Moment kreiert, als ob ein zufällig entdeckter Beat begeistert aufgenommen und begleitet werde… Der Begriff Mincecore und die damit verbundenen AGATHOCLES kommen mir wie zufällig in den Sinn. Es ist unfasslich räudig, es wird geblastet, gehackt, gebrüllt, gegrindet – kein Wunder, dass vor der Bühne ein Deathdingsie nach dem anderen zelebriert wird. Kein Wunder, dass neben mir ein Typ plötzlich Bibelzitate zu rezitieren beginnt. Kein Wunder, dass ich erst merke, dass die Band schon lange aufgehört hat zu spielen, als El Tofu mich nach einem Mitfahrplatz auf meinem Lenkrad fragt.

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