Verbrennungsgefahr am Mestizo-Crossover

Metisolea spielen sich in der Alten Meierei eindrucksvoll ins Kieler Gedächtnis



Die Südfranzosen heizten dem Publikum in der Alten Meierei mit spanischen, französischen und englischen Stücken ordentlich ein.

Kiel – Ein multikulturelles Septett aus Bordeaux sowie Dancehall-Lokalmatadore haben für schweißtreibende Nachtstunden in der Alten Meierei gesorgt. Die Stimmung rund um den Konzertabend balanciert dabei zwischen Frust und Wahnsinn, denn für kurze Zeit steht der Auftritt von Metisolea und ihrem Support Das Goldene Handwerk sogar auf der Kippe, weil Verstärker ihren Geist aufgegeben haben und nur technisches Getüftel unter Mithilfe des französischen Equipments die Party rettet.

Vielleicht sind es gerade diese Begleitumstände gewesen, die die Musiker zu unglaublicher Spielfreude antreiben und den Funken schnell ins Publikum überspringen lassen. Für die Kieler Ska- und Reggae-Handwerker ist es übrigens trotz mehrjährigen Bestehens die erste Stippvisite in der Location. Die knappe Stunde mit den zehn Muntermachern vergeht jedenfalls wie im Fluge. Sänger Jahfroh erklärt den Massiven dabei mit seinen Botschaften, wie es in unserem Babylon aussieht. Im ersten Teil des Sets lässt er sich dabei auch über Marihuana aus, nicht ahnend, dass kurz darauf shit happens, denn dem Gitarristen Lukas Sander reißen nacheinander an beiden Gitarren je eine Saite! Auf der Bühne geht die Betriebsamkeit dennoch weiter und auf dem Floor davor übt sich die Community in körperlicher Bewegung.

Den Siedepunkt setzen dann aber Metisolea mit druckvollen Mestizo-Crossover. Die Alte Meierei kann im Disput mit der Stadt Kiel ein Lied zum Thema Brandschutz singen. Künstlerisch ist der toughe Weltmusik-Act derart heiß, dass ständig Verbrennungsgefahr besteht. Erstmals ist man auf die Band in Deutschland beim Fusion-Open Air im vergangenen Sommer in Neustrelitz aufmerksam geworden. Im Handstreich erobern die Südfranzosen nun etliche Kieler Sympathien. Ob Spanisch, Französisch oder kurze englische Textpassagen, auch die Musik könnte internationaler nicht sein. Gleich zehn Stücke spielt die Combo von ihrem aktuellen Album La chute et l’envol.2.

Der Leading-Beat vom Schlagzeug, vom Synthesizer oder als DJ-Scratching-Sound, solistische Posaunen-Attacken gegen schnelle Bassläufe, eingestreut eine wimmernde E-Gitarre: Der Electro-Turbo ist die ständig begleitende Energiequelle, bei dem kurze Drum-&-Bass-Teppiche durch Mark und Bein gehen. Auf der anderen Seite entwickelt ein Flamenco auf der akustischen Gitarre zusammen mit kollektivem Handclapping eine energetische Dynamik, die Bassist Guillaume Martial und Sänger Marc du Mas de Pagsac auch beim kollektiven Chorgesang mit dem Publikum im Stück Mentira eindrucksvoll zu entfachen versteht. Die Rolle des Animateurs ist wie zugeschnitten auf Martial. Ob kollektives Springen, seine Aufforderung „Kiel, keep the pressure!“ oder sein mutiges Fallenlassen samt Instrument von der Bühne auf die Publikumshände vor der Bühne unterstreichen das.

Nach dem Gig erzählt er noch gut gelaunt, dass der zweite Posaunist Jerome Martineau nur deshalb dabei sei, weil wenige Tage vor Beginn der Tour die zur Stammbesetzung gehörende Trompeterin Laure sich eine ernsthafte Erkrankung zugezogen habe. „Jay Jay“ Jerome habe seine Sache aber gut gemacht. „Er war doch ein guter Ersatz, oder?“ Allseits anerkennendes Nicken gibt ihm Recht. Zum Konzertende hat Martial ein „A très bientôt“ in die Menge gerufen. Die Entgegnung darf nur lauten: Unbedingt!