Ungebremste Schlagkraft

Kiel – Der Partypegel steigt sichtlich zu fortgeschrittener Stunde, denn mit der Punkband Dritte Wahl steht für viele hier das Pflichtprogramm der Woche fest. Und etliche treue und neue Fans haben den Weg in die Meierei gefunden. Zuvor hatten die Saarländer Band Pascow und die Newcomer Coffein aus Schönberg die Menge schon mal vorgewärmt.

Die Fantraube überspannt ein Altersspektrum von gerade mal volljährig bis zu Kieler Altpunks, die Luft kann man in dicke Scheiben schneiden, über die Gesichter perlen Schweißtropfen. Kurz vor Mitternacht betreten Dritte Wahl die Bühne in der jetzt brechend vollen Meierei. Der deutliche Metal-Einfluss in den Drei-Akkorde-Gassenhauern schiebt die Sound-Walze nach vorne, sofort herrscht im Moshpit Ausgelassenheit, werden textsicher Strophen und Refrains skandiert. „Lass das Glotzen sein – greif ein!“, rufen Dritte Wahl auf zum Widerstand gegen eskalierenden Rechtsextremismus. Dieser Song vom Album Roggen Roll (2002) ist nur einer von vielen Klassikern der Band und hat nichts von seiner Durchschlagskraft verloren: Der Beat rüpelt sich den Weg, Gitarre und Bass verharren auf einem Akkord, der Gesang klingt voller Hass, Unverständnis und dem unbedingten Willen, dem Refrain gerecht zu werden und – einzugreifen!


Lauthals und textsicher skandierte das Publikum ihre Strophen und Refrains mit: Dritte Wahl. Foto Bevis

Das letzte Dritte-Wahl-Album Fortschritt ist zwar schon drei Jahre alt, doch der heutige Abend zeugt davon, dass die „Toten Hosen des Ostens“ es nicht nötig haben, mit neuen Veröffentlichungen das Publikumsinteresse wecken zu müssen. 1988 gab das Aushängeschild des linksradikalen DDR-Punkrock sein erstes Konzert, 2005 verstarb Sänger/Bassist Marko „Busch’n“ Busch an Krebs, ein herber Schicksalsschlag, doch der Rest der Band hat die Ärmel hochgekrempelt und weitergemacht. Gunnar (Gesang, Gitarre), Stefan (Bass) und Krel (Schlagzeug) haben das Alter, in dem der Pogo-Revoluzzer Mercedessterne sammelt wie andere Leute Briefmarken, zwar weit hinter sich gelassen, an ihrer Performance gibt es jedoch nichts zu kritteln: Energie, Dynamik, Power – eine Legende des Deutschpunk. Und ein tolles Konzert dazu. cpu