Kreativ umtriebig

Nervenklinik aus St.Petersburg kommen in die Meierei mit ihrem Chanson-Polka-Punk

Von Karen Jahn

Kiel – In einem besetzten alten Kino am Rande von St. Petersburg tun sich Laneev Alexader, Platonov Alexander, Belkina Elena und Segidin Timur Mitte der 90er zur Band Nervenklinik zusammen. Die VIer hauchen dem maroden Gebäude, vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion ein Ort der sozialen Jugendarbeit, wieder Leben ein. Es entstehen Proberäume für Underground-Bands, ein Tatoo-Studio, das Quartett organisiert in einem illegalen Club Konzerte befreundeter Bands und hält selbst Lärm-Performances ab, Improvisationen für Freunde und Gäste, bei denen alle einfach auf dem mitspielen, was sie gerade finden können.
Nach und nach, das Kino haben sie lange verlassen müssen, entwickeln sich Nervenklinik von der Noise- zur Folkpunkband. Sie legen sich erstmals auf die Instrumente feat und fangen an, mit Bass-Balalaika, Akkordeon, saxophon und Drums auf traditioneller , russischer Volkamusik badierende Stücke zu spielen. Heraus kommt ein ansteckender, wacher und eigen klingender Chanson-Polka-Punk. Es gibt einige Folk-Punkbands in St. Petersburg, darunter die schon ein wenig bekanntere Frauen-Combo Iva Nova. Man kenne sich untereinander, aber existiere unabhängig nebeneinander her, erklärt Platanov Alexander: „Was uns vor allem von den anderen unterscheidet, ist, dass wir auf die Gitarre verzichten und russische Folk-Melodien und Instrumente benutzen.“ In ihren Texten verarbeiten sie eigene Erfahrungen, die Geschichte Russlands und ST. Petersburgs und beschäftigen sich mit Mythologie. Mit ihrer zweiten EP New Techno (2005) gehen sie nun bereits zum dritten Mal auf Deutschlandtour.
Aber nicht nur die Musik treibt das Quartett um. Auf ihren Konzerten zeigen sie zwei von Laanev Alexander gedrehte experimentelle Kurzfilme, darunter Zukordonye, ein düsterer Schwarweiß-Streifen über eine körperlose Seele, die durch die STraßen von St. Petersburg streift. Darüber hinaus komponieren Nervenklinik seit knapp zwei Jahren für die russische Filmemacherin Alexandra Strelyanaya die Musik und entwickeln die Sounds. Um ihren künstlerischen Output zu bündeln, gründeten die St. Petersburger unlängst „Folkstorm“, eine kreative Vereinigung innerhalb der sie mit anderen Musikern und Filmemachern zusammen arbeiten und unter deren Namen sie auch ihre CDs veröffentlichen.

Heute, Alte Meierei (Hornheimer Weg 2), 20.30 Uhr, Vorprogramm: Diane Parker’s Little Accidents

Mein Tipp
Malte Schweia spielt Bass bei 7th Saturn, die Anfang des Monats im KulturForum beim Jubiläum der Rock & Pop Schule als viel versprechende Nachwuchsband beeindruckten. Schon von seinem Instrument der interessiert es den Max-Planck-Schüler, wie die russischen Polka-Punker von nervenkrieg (sic!) eine Bass-Balalaika einsetzen. Die Alte Meierei schätzt der 18-Jährige als überschaubaren Veranstaltungsort mit direktem Kontakt zwischen Bühne und Publikum.
Heute, 20 Uhr. Alte Meierei am Horheimer Weg, Kiel. Eintritt:“erschwinglich“ (O-Ton der Veranstalter). Infos www.altemeierei.de

Heute
Die Suchworte „nervenkrieg“ und „St. Petersburg“ beantwortet google mit 99 Quellen – von der mittelalterlichen „Befreiung vom Tatarenjoch“ bis zu UEFA-Pokalspielen und Gaslieferungen. Doch die Wort-Kombination steht auch für Chanson-Polka-Punk und experimentelle Filme aus Russland: Zum dritten Mal tourt die Band Nervenklinik aus St. Petersburg durch Deutschland. Mit Akkordeon, Bass-Balalaika, Saxophon und Drums.
20 Uhr. Alte Meierei, Hornheimer Weg. Eintritt k. Angaben. www.altemeierei.de