30.9.: Antifa-Demo in Neumünster

Antifademo gegen den 10-jährigen Club88-Geburtstag

Sa. 30.09.06 14.00 Uhr Bahnhof nms.

Wir dokumentieren den Aufruf zur Demo in NMS:

Antifaschistische Demonstration in Neumünster

Antifaschismus scheint der Politikansatz der heutigen autonomen Linken mit dem größten Mobilisierungspotenzial zu sein. Doch ist die Analyse nur Oberflächlich, wenn davon ausgegangen wird, dass damit die ehemals weit gefächerte Politik der Autonomen auf einen zentralen Punkt beschränkt wird. Denn die Diskurse innerhalb dieses antifaschistischen Überbaus beinhalten mehr als nur Nazis. Auch eine vordergründig antifaschistische autonome Struktur muss sich mit allen Unterdrückungs-und Ausbeutungsverhältnissen auseinander setzen. So bietet die gesellschaftliche recht breit geteilte Ansicht der Ablehnung von Neonazismus, zumindest vordergründig, für viele Jugendliche einen Anknüpfungspunkt mit der Autonomen Szene und seiner Struktur. Doch schnell wird klar, das in der Autonomen Szene eine andere Normen und Wertestruktur herrscht. Als Resultat aus anarchistischen und libertär kommunistischen Analysen werden gesellschaftstragende Werte wie Sexismus, Rassismus, Antisemitismus, Herrschaft usw. abgelehnt. Diese Analysekategorien sollten Konfliktpunkte für Diskurse sein (viel zu selten geschieht dies), um die gesellschaftlichen sowie szeneinternen Strukturen, Ansichten und Handlungsmuster zu überprüfen, zu kritisieren und zu verändern. Beispiele für diese mehr oder minder fruchtbaren Diskurse waren der sog. Israel/ Palästina Konflikt, sowie sexistische Übergriffe bzw. sexualisierte Gewalt. Diese Auseinandersetzungen sind, wie eben dargestellt, wichtig, um die eigene politische Theorie und die politische Praxis weiterentwickeln zu können.

Dieses Plädoyer für den autonomen Antifaschismus bildet die Einleitung für den Aufruf für eine Demonstration in Neumünster am 30.09.06. Wie wohl keine andere der größeren Städte in Schleswig-Holstein herrscht in Neumünster (im weiteren NMS) eine stadtweite Hegemonie von Neonazis, der die defizitäre Organisierung antifaschistischer Gegenwehr gegenüber steht, bei gleichzeitiger, landesweiter Interesselosigkeit gegenüber Neumünster. Wir, als Vorbereitungskreis aktiver Autonomer aus Schleswig-Holstein und Hamburg, wollen mit dieser Demonstration einen ersten Anknüpfungspunkt für offenen Protest in Neumünster geben. Diese Demonstration stellt die seit langem erste von Autonomen getragenen Aktion in dieser Stadt dar.

Teile der Linken versuchten diese Jahr, wie auch in den letzten Jahren, eine Neumünsterweite antifaschistische Volksfront zu etablieren. Dies ist, wie auch in den letzten Jahren, gescheitert. Es scheint sich ein Trend zur Zusammenarbeit mit allen gesellschaftlich Tragenden Kräften von fast allen Parteien bis hin zu den sog. Gewerkschaften zu forcieren. Dies bewerten wir erstmal nicht als schlecht, allerdings ist dieses Konzept nur möglich bei gleichzeitiger Artikulation und Ausübung radikaler linker Politik. Doch diese linke Volksfront-Mentalität hat oftmals zu einer Verwässerung dieser von der Wurzel an strukturierten Politik geführt. Es werden nicht emanzipatorische Inhalte von radikalen Linken in Bündnisse hinein getragen, sondern bürgerliche Politikvorstellungen in Linke Diskurse eingeführt und versucht diese Diskurse zu dominieren.

In Neumünster sind diese sog. Bündnisse an den Macht-und Geltungsbedürfnissen der einzelnen VertreterInnen der bürgerlichen Gewerkschaften und Parteien gescheitert. Zuletzt wurde ein Gemeinsamer Markt für Demokratie am 30.09.06 gecancelt, weil die sog. BündnispartnerInnen des organisierenden Vereins „Aktion Jugendzentrum“ (AJZ) den Begriff Antifaschismus für den o.g. Markt ablehnten. In der öffentlichen Meinung scheint die AJZ gefährlicher zu sein als der Club 88. Das ist der Ausdruck einer Gesellschaft, die durch Antisemitismus, Rassismus und Totalitarismus zumindest latent geprägt ist. Das massive Auftreten Freier Kameradschaften und die noch einstelligen Wahlergebnisse der NPD sind nur die Spitze des gesellschaftlich breit getragenen Rassismus. Wenn Neonazismus mit sozialer Verelendung und individuellen Verfehlungen begründet wird, offenbart dies nur eine vulgär-wissenschaftliche Analyse und einen fehlenden Willen zur Beschäftigung mit diesem Thema.

Staatlichem Rassimus entgegentreten
Rassistische Gesellschaftsstrukturen lassen sich nicht alleine an Nazis und StammtischrednerInnen festmachen. Es muss ebenfalls eine Auseinandersetzung mit staatlich organisiertem Rassismus geführt werden. Mit dem Fortschreiten der europäischen Integration hat sich auch die Situation für Flüchtlinge verschärft. So hat sich um das reiche Kerneuropa eine Pufferzone entwickelt, in der die Flüchtlinge, schon lange bevor sie die reichen Industrienationen erreichen, abgefangen werden. Die Flüchtlinge werden dort interniert bzw. sofort wieder abgeschoben. Die Europäische Union hat sich zu einem staatsähnlichen Konstrukt entwickelt, welches kaum noch die Möglichkeit für Migration bietet. Der große Reichtum der EuropäerInnen und die sich parallel entwickelnde Armut der sog. Dritten Welt stehen im starken Zusammenhang, so dass zwangsläufig eine Festung zur Abwehr der Armen errichtet werden musste.
Lokal forciert sich die Repression gegenüber MigrantInnen in Form eines sog. Ausreisezentrums in einer ehemaligen Bundeswehrkaserne in Neumünster. In dieses Zentrum werden Menschen eingewiesen, die kein Bleiberecht in Deutschland haben und eigentlich Ausreisen müssten. Die Flüchtlinge werden aus ihrem sozialen Umfeld gerissen indem sie ihre Arbeitserlaubnis und ihre Wohnung verlieren. In dem sog. Ausreisezentrum sollen sie ihre „freiwillige“ Ausreise organisieren, da sie nun keinerlei Perspektive mehr in Deutschland haben. Neben dem Abschiebeknast in Rendsburg stellt dieses Lager eine zentrale Institution in der repressiven Schleswig-Holsteinischen Flüchtlingspolitik dar.

Zur Neonazi Szene in Neumünster
Der Club 88 wurde im Oktober 1996 im neumünsteraner Stadtteil Gadeland eröffnet. Konzessionsinhaberin ist Christiane Dolscheid. Sie war zunächst Mitglied der Deutschen Frauen Front (DFF), welcher insbesondere im Anti-Antifa Bereich arbeitete. Neben ihrer Tätigkeit als Anti-Antifa Fotografin war sie unter anderem beim Neonazi-Sanitätsdienst „Braunes Kreuz“ tätig und war außerdem bis zu seiner Selbstauflösung Mitglied im Skingirl Freundeskreis Deutschland (SFD) und schrieb mehrere Artikel für den mittlerweile verbotenen Hamburger Sturm und das Skingirlblatt Wallküre. Als weitere Schlüsselpersonen bei der Gründung des Clubs sind Peter Borchert, der jahrelang als Sprecher des Club 88 fungierte und Tim Bartling zu nennen.
Neonazis haben in Neumünster neben dem Club 88 weitere Treffpunkte. So sind in der Vergangenheit insbesondere drei Kneipen in Erscheinung getreten, die allesamt im Innenstadt-Bereich liegen. Mit der „Titanic“ in der Friedrichstraße in Steinwurf-Weite zur AJZ (Aktion Jugendzentrum) Neumünster und der Holstenbörse in der Rendsburger Straße, ebenfalls keine 500m von der AJZ entfernt sind noch zwei dieser Kneipen existent, von der Holstenbörse gingen jedoch in der letzten Zeit keine Naziangriffe mehr aus. Anders verhält es sich mit der Titanic. Immer wieder kommt es insbesondere bei linken/alternativenKonzerten in der AJZ zu Übergriffen von Nazis, die sich in der Titanic offenbar zunächst Mut antrinken, um dann KonzertbesucherInnen anzugreifen. Hierbei kam es in der Vergangenheit zu nicht unerheblichenVerletzungen. Es ist festzustellen, dass sich die Übergriffe in Bahnhofs-Nähe häufen, so dass mensch häufig auch auf dem Rückweg aus anderen Städten mit Nazi-Gewalt konfrontiert wird. Das Geschäft mit der sehr deutschen Stammkundschaft in der Titanic läuft: So hat die Titanic erst kürzlich ihre Räumlichkeiten vergrößert, um mehr Platz für die mittlerweile regelmäßig stattfindenen Disco-Partys zu schaffen – Partys, auf denen sich keiner der „Normalo-Gäste“ daran stört, sein Bierchen zusammen mit Nazis zu sich zu nehmen.
Aber mensch muss sich nicht zwangsläufig in der Nähe dieser „ausgewählten Kneipen“ aufhalten, um die direkte Konfrontation mit Nazis zu finden. Es vergeht kaum ein Wochenende, an dem es nicht zu Nazi-Übergriffen auf MigrantInnen/Linke/Alternative in anderen Kneipen, auf Abi-Partys und teilweise sogar auf Privat-Partys kommt. Auch auf dem Neumünsteraner Stadtfest „Holstenköste“ und dem jährlich stattfindenden „Klosterrock“ muss mensch sich auf massives Auftreten gewaltbereiter Nazis einstellen, die dort auch Versuche unternehmen, in andere Subkulturen einzudringen, um so „Querfronten“ zu bilden. So suchen Nazis oft das Gespräch mit Mitgliedern der Metal-Szene und selbst Jugendliche, die sich als „alternativ“ verstehen, lassen sich auf Diskussionen mit Nazis ein, die nicht selten zu einer gewissen Akzeptanz gegenüber rechtem Gedankengut führen.
Doch Neumünster hat mehr zu bieten als nur die typischen Stiefelglatzen. Der Club 88 war auch stets Ausgangspunkt für die militante organisierte Naziszene und hat mittlerweile – nicht nur durch Beiträge in den Mainstream-Medien -eine traurige, bundesweite Berühmtheit erlangt. Um ein Beispiel zu nennen: in einer Spiegelreportage über Combat 18 wird Neumünster als „neue Hauptstadt der Bewegung“ bezeichnet. Die Reportage berichtet unter anderem über den Neumünsteraner Nazikader Peter Borchert, der derzeit noch im Knast sitzt. In seiner Wohnung wurde neben einer Flasche Führerwein auch ein scharfer Revolver samt Munition gefunden – in einem späteren Geständnis kam heraus, dass dies nicht die einzige scharfe Waffe war, auf die Borchert Zugriff hatte. Aktuell wurde Borchert auf seinen Freigängen mit der Cousine des Sohnes des Titanicwirtes gesehen. Als weitere „lokale Größen“ wären der aus Anti-Antifa Kreisen bekannte Martin Engelbrecht oder der ursprünglich aus Segeberg stammende Henning Fesser zu nennen. Ebenfalls treibt Tim Bartling in Neumünster sein Unwesen. Er ist nicht nur maßgeblich an der Gründung des Club 88 beteiligt gewesen, sondern der Jiu Jitsu Europameister und begeisterter Freefighter war auch an der
Gründung der Neumünsteraner Nazi-Kampfkunst-Schule „Athletik Klub Ultra“ beteiligt. Werbung für diesen Nazi-Schuppen konnte mensch unter anderem in der Neumünsteraner Disco „Sky“ finden, wo Bartling als Türsteher tätig ist.

Antifaschistische Demonstration
in Neumünster am 30.09.06
14 h Bahnhofsvorplatz

Bitte organisiert die gemeinsame Fahrt von und nach NMS, da eine massive Nazipräsenz, aufgrund der Jubiläumsfeier des Club 88.
Wie oben dargestellt, ist diese Demonstration die seit langem erste von Autonomen getragene Demonstration in Neumünster, daher stellen wir die Forderung nach einem solidarischen und konstruktiven Ablauf dieser Demonstration. Mackerverhalten und Zurschaustellung der eigenen Männlichkeit haben hier nix zu suchen, ebenso verhält es sich mit National-und Parteifahnen/-Symbole. Dass dies extra betont werden muss, ist schon schlimm genug….

V.i.S.d.P.: B. Leibt, Niemandsweg 77, Kiel. Herzlichst, eure FreibadheldInnen aus KI,NMS, HH!

Gemeinsame Anreise aus Kiel nach NMS: Um 13.21 Uhr mit dem Regional Express.
Treffen: 13.oo Uhr (pünktlich) am Hbf. in Kiel. Passt auf Nazis auf !!