600 demonstrieren für Alte Meierei

Ca. 600 Menschen gingen am 4.6. trotz miesesten Wetters für die Meierei auf die Strasse. Anschließend ging es bis in die Nacht in der Meierei weiter mit lecker Essen und einem Soli-Umsonst-Festival mit 7 Bands aus der Region, das sich bei bester Stimmung zu einer rauschenden Tanz-Party entwickelte.
In der Nacht kam es noch zu einem brutalen Überfall von Nazis auf BesucherInnen der Meierei.

600 Menschen, für einige mehr, für andere weniger als erwartet, fanden sich gegen 14.oo Uhr auf dem Europaplatz ein, um für den Fortbestand der Alten Meierei zu demonstrieren. Das äußerst miese Wetter tat der recht guten Stimmung keinen Abbruch. Nach Redebeiträgen von Menschen aus der Meierei und vom Sozialen Zentrum in Norderstadt ging die Demo los und bewegte sich bei miesestem Wetter, lauter Musik und einigen Parolen durch die City.
Was wahrscheinlich die wenigsten mitbekommen haben: am Rande der Demo gab es eine symbolische Hausbesetzung!
Im Knooperweg/ Ecke Mittelweg leider etwas weit von der Demo entfernt, aber trotzdem gut sichtbar, wurde aus einem seit Jahren leerstehenden Haus ein 3mal4 Meter großes Transparent mit der Forderung um sofortige Bestandsgarantie für die Alte Meierei entrollt, mehrere Leuchtkugeln aus den Fenstern abgeschoßen und ein Riesenschwall Infoflyer abgeworfen.
Auf weiteren Kundgebungen folgten Redebeiträge von der Walli in Lübeck, der FreiraumStattRepressions-Kampagne aus Osnabrück, von Avanti sowie der Meierei-Konzertgruppe Rebelti@s Musicales.
Am Bahnhof wurde die Demo aufgelöst und als Spontandemo ging es dann geschlossen weiter zur Alten Meierei, wo bereits leckeres Essen auf die TeilnehmerInnen wartete.
Dann begann das Soli-Umsonst-Festival. 7 Bands aus der Region hatten spontan ihren Auftritt zugesagt, um ihre Solidarität mit der Meierei auszudrücken.
Es begann mit den genialen und sympathischen Kurhaus, ging weiter mit Abgelehnt, Chaos Control und den alles vom Teller wischenden Out of Limits, deren Schlagzeuger gerade mal 10 Jahre alt ist. Mit Out of Limits füllte sich der Saal richtig und eine rauschende Tanzparty begann, die sich fortsezte mit 2nd Engine und der Latino-Ska-Combo Sexto Sol und der Ska-Band Big Banders.
Leider wurde die Stimmung nach Abschluss des Konzerts durch die Nachricht eines brutalen Naziüberfalls auf BesucherInnen der Meierei getrübt. In unmittelbarer Nähe zur Meierei waren 5 BesucherInnen unterwegs, als ein VW-Bus neben ihnen stoppte und 5 z.T. mit Ketten bewaffnete Nazi-Glatzen heraussprangen. Mit der Frage „Kommt ihr aus der Meierei“ gingen sie sofort auf die Leute los, hatten aber wohl nicht damit gerechnet, dass die Meierei-BesucherInnen in der Lage waren, sich selbst zu verteidigen. Für die Nazis endete dieses Überfall recht schmerzhaft, die 5 Angegriffenen blieben bis auf einige Schürfwunden und zitternde Knochen glücklicherweise unverletzt.
Dieser gezielte Überfall sollte allen einmal mehr ins Bewusstsein rufen, dass die relative Ruhe, die viele in Bezug auf Nazi-Terror in Kiel empfinden, eben nur relativ ist. Es wimmelt in Kiel von Nazi-Schlägern, auch in der Nähe der Meierei wohnen einige davon. Geht nachts nicht allein nach Hause und passt auf euch auf!

Trotz dieses unschönen Endes war der 4.6. ein voller Erfolg. Er hat gezeigt, dass nach wie vor viele, viele Menschen hinter der Meierei stehen, dass es viel Solidarität in Kiel und auch aus vielen anderen Städten gibt, dass wir nicht nur kämpfen oder feiern können, sondern dass wir auch beides zusammen können.
Schönen Dank nochmal an alle Bands und alle, die mitgeholfen haben, dass es so ein klasse-Tag und -Abend wurde, insbesondere auch nochmal an Abgelehnt, die die Backline für alle Bands zur Verfügung gestellt hatten!

Meierei bleibt! Walli bleibt auch! SZ sowieso! Und alle anderen politischen und kulturellen selbstverwalteten und unkommerziellen Zentren auch!

Redebeiträge zur Demo findet ihr unterhalb der Fotos.






Redebeiträge auf der Demo

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Redebeitrag von Avanti

Hallo Kielerinnen und Kieler, liebe FreundInnen der Meierei!

Wir demonstrieren hier heute für den Erhalt der Alten Meierei und gegen
die Schlichtheit von gewöhnlichem, verwaltungsrechtlichen Denken. Man
könnte auch sagen, für ein anderes und ganz sicherlich auch ein besseres
Leben.

Zwar geriet die Kieler HausbesetzerInnenbewegung im Jahre 1983 mit der
polizeilichen Räumung der besetzten Häuser am Sophienblatt an ihr Ende,
doch konnten der Kieler Stadtpolitik teilweise verrechtlichte
Ausgleichsprojekte abgetrotzt werden. 1983 wurde die Alte Meierei als
Wohnprojekt mit großem öffentlichen Veranstaltungsraum bezogen. Bei
ordentlichem Mietvertrag, der die kulturelle Nutzung ausdrücklich mit
einschloss, tolerierte die Kieler Stadtverwaltung 20 Jahre die
unkonventionellen Formen selbstverwalteter, nichtkommerzieller
Organisierung von Partys, Konzerten und Theateraufführungen.

Was hat die Meierei mit einem besseren Leben zu tun?

Selbstorganisierung, Selbstbestimmung und Solidarität sind Begriffe, die
heute noch in dem heterogenen NutzerInnenkreis der Alten Meierei
umhergeistern und die am ehesten die geschichtliche Kontinuität der
Alten Meierei als soziales und politisches Projekt ausmachen. Immer
wieder deutlich werden sie in der Art und Weise, in der sich die
NutzerInnen und BesucherInnen der Alten Meierei den Raum aneignen und
ausgestalten. Konkret heißt das, dass Menschen, die Anstrengungen
unbezahlter Arbeit auf sich nehmen – beispielsweise ein Konzert
veranstalten – und das als glücklich machende Tätigkeit begreifen:

Unabhängig davon, was in dieser von Wünschen, anderen gesellschaftlichen
Vorstellungen und Spaß motivierten Arbeit auch an Nervereien, Pleiten,
Pech und Pannen dazugehört, erlaubt sie doch eine aktive Aneignung des
eigenen Lebens jenseits kapitalistischer Verwertungslogik.

Die Alte Meierei ist also nicht zuerst ein Raum für bestimmte
musikalische Vorlieben, die bekanntlich eine Geschmackssache bleiben,
sondern ein Ort der sozialen Phantasie, der über die beschissenen
Verhältnisse hinausweist. Sie ist ein Widerspruch zur Unterwerfung aller
menschlichen Lebens- und Genussmöglichkeiten unter die Anforderungen der
Kapitalverwertung, der auf unsere noch nicht realisierten Träume und
Wünsche verweist – und dieser Widerspruch wird nicht aus der Welt zu
schaffen sein! Das ist eine mögliche Begründung, die hinter der Parole
‚Meierei bleibt!’ stehen kann, auch wenn andere diese Parole vielleicht
ganz anders füllen werden.

Vergessen wir auch in der erneut zugespitzten Situation nicht, das knapp
200 Veranstaltungsorte, Bands, Betriebe, Initiativen und Personen aus
Kunst und Kultur im Herbst 2003 die Rücknahme der Kündigungsdrohung und
eine politische Bestandsgarantie für die Alte Meierei forderten. Und das
nicht nur, weil die Alte Meierei ein Beitrag zur kulturellen Vielfalt
und nach dem Abriss des musico-Gebäudes an der Hörn fast der letzte
lokale Auftrittsort für unbekannte Bands ist, sondern mit einer
umfassenderen politischen Begründung.

Damals schrieben sie – ich zitiere – „Wenn die Stadt Kiel der Alten
Meierei auf kaltem, verwaltungsrechtlichem Wege ihren sozialen,
kulturellen und politischen Inhalt rauben will, so lohnt es, sich
dagegen zu wehren. Denn auch in den heutigen, von Privatisierung,
Kommerzialisierung und sozialer Ausgrenzung geprägten Zeiten sind die
solidarischen Prinzipien der Alten Meierei immer noch gesellschaftlich
verallgemeinerungswürdig: Orte, an denen selbstorganisierte und für alle
bezahlbare Kultur ohne jede Gewinnorientierung stattfinden können, sind
gut und nicht schlecht!“

Nur mit einem Bündnis auf dieser Basis werden wir die Angriffe auf die
Meierei stoppen können, nur mit einem gemeinsamen Bezug aufeinander
werden wir auch die mögliche Streichung der Fördergelder für andere
Kulturprojekte wie die Hansastraße 48 oder die Pumpe bei der
Haushaltsverteilung im Herbst diesen Jahres verhindern können.

Wir werden sehen, ob wir durch politischen Druck die in
Prinzipienlosigkeit erfahrene Partei der Kosovo-Kriegs-Grünen dazu
zwingen können, ihre verhältnismäßig positive Haltung zur Meierei in der
Stadtpolitik in Anschlag zu bringen, wir werden sehen ob die CDU und die
Verwaltung zu vernünftigen Verhandlungen zurückkehren werden.

Klar ist, dass nach der Lärmschutzauseinandersetzung des Jahres 2003
und nach den neu vorgetragenen verwaltungsrechtlichen Zumutungen ohne
eine politische Bestandsgarantie jedes entgegenkommen unsererseits
vollständig irrational ist.

Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass diese Demonstration alleine nicht
ausreicht, eine Bestandsgarantie für die Meierei zu erkämpfen. Freuen
wir uns doch schon heute auf einen anstrengenden, streitbaren und
bewegten Sommer! Natürlich bietet die Kieler Woche günstige
Gelegenheiten für unvorhergesehene und nicht angemeldete Proteste und
Konzerte. Natürlich wird der erste Polizeieinsatz bei einem
ordnungsrechtlich verbotenem Konzert nicht auf unsere Zustimmung,
sondern auf unsere energische Ablehnung stoßen. Natürlich werden sich
Leute finden, die nach einer etwaigen Versiegelung der
Veranstaltungsräumlichkeiten der Alten Meierei diese in aller
Selbstverständlichkeit und ohne irgendeinen Antrag wieder zugänglich
machen werden.

Es ist unser voller Ernst: Unkonventionell lebt es sich besser! Alte
Meierei bleibt!