Fettes Festival, das die Tanzschuhe glühen ließ

Yeah, das war mal ein gelungenes Festival, soviel steht fest! Dieses Konzert wurde nicht nur in Kiel von vielen Leuten mit recht hoher Antizipation erwartet, das merkten wir, als wir in letzter Zeit mit BONEHOUSE viel unterwegs waren. Überall hieß es „Ja, wir sehen uns dann in Kiel beim ALERTA ANTIFASCISTA-FESTIVAL!“, egal, ob Ruhrpott, Berlin oder Kleinkleckersdorf. Mit Behind enemy lines, All systems fail, Protestera, Apatia No und Hynkel Overskaeg (die ebenfalls geplanten Motorhäte mussten leider ihre ganze Tour absagen) hatte Timo von AA aber auch ein vollständig geiles Billing am Start!

Und so tummelte sich bereits um 19.00 Uhr ein buntes Völkchen vor der Meierei. Frank von POWER IT UP hatte draußen auf dem Vorplatz ein Zelt mit seinem Merch aufgestellt, rechts neben der Meierei war eine amtliche Vokü-Truppe am Brutzeln – Volksfeststimmung pur! Nur, dass bei normalen Volksfesten halt der Nervfaktor „Volk“ dazukommt, he he. Hier und heute hingegen gab es bekannte und geliebte Gesichter aus allen Himmelsrichtungen zu begrüßen und viele Leute kannte man auch noch gar nicht.
Klar, dass nicht alle sich schon zur ersten Band hineinbegaben, sondern erst mal draußen feierten. Hynkel Overskaeg aus Hamburg ließen sich davon aber nicht die Laune vermiesen und legten ordentlich los. Die Beschreibung „Graue Zellen orientierter Punk“ ist gar nicht schlecht, wobei die Hamburger sich eher an der früheren Phase diese Band orientierten. Flott, melodisch, deutsche Texte. Nicht schlecht, aber nicht ganz mein Ding. Der Sänger kündigte alle möglichen Songs als angebliche Coverversionen an und warf dann auch noch die dazugehörigen Singles ins Publikum. Fab ergatterte gleich zwei von den Dingern – Peter Petrel und Gunter Gabriel oder so… Na, herzlichen Glückwunsch! Von welchem dieser beiden Interpreten nun der Smasher „Kalle mit der Kelle“ war, müsst ihr dann wohl Fab fragen… Viel interessanter dürfte aber eh die Kontaktaddy der Bierbrauer sein, von denen Fab einige Pullen im Gepäck hatte: POGO-RAUSCH, ein Bier von Punks, denen die Industrie-Biere nicht so zusagen. Schon durchaus lecker, das Zeug!

Bereits die zweite Band war dann ein echter Hammer: All systems fail (USA, am Schlagzeug der erste Drummer von AUS-ROTTEN)! Das ging schön derbe crustig nach vorne los, so dass die Stimmung gleich stieg und sich die Meierei nun gut füllte. Der Sänger hatte eine schön krasse Röhre, die Band ballerte die Songs ziemlich tight in die Meute. Der Sound war übrigens ziemlich gut. Inhaltlich sehr engagiert, da ist es kein Wunder, dass sich die Band gut mit Behind enemy lines versteht, mit denen sie ja gerade auf Tour sind. Zufällig kam ich während der Show mit einem der BEL-Klampfer ins Gespräch, der wirklich sehr nett war und sich sehr interessiert an der Geschichte der Meierei und Bands aus Kiel zeigte.

Nun waren so ziemliche alle Nasen anwesend, die auf so ein Festival gehören. Doch halt – wo steckte bloß Karl-Heinz? Just als Fab und ich über dieses Rätsel sinnierten, klingelte Fabs Handy und Kalle war dran. Fragt der doch glatt, ob Fab noch fahren könne und ihn abholen wolle! So ein fauler Sack, wohnt quasi umme Ecke in Gaarden und möchte ’nen persönlichen Abholservice… Aber Fab hatte eh schon zuviel „Pogorausch“ im Blut und so verpasste Kalle auch Apatia No. Das Threepiece aus Venezuela war mir bisher nur vom Namen her ein Begriff, irgendwie – ich weiß auch nicht wieso – hatte ich mir die melodischer vorgestellt. Doch Pustekuchen, die Gitarristin grunzte schweinetief ins Mikro, der Basser schrie sich dazu die Kehle aus dem Hals und die Band rumpelte ein fieses Anarcho-Punk-Brett. Nicht so tight wie die Vorgänger, aber mit ordentlich Power. Sehr gut fand ich die Ansagen gegen Pogo-Exzesse, denn am Vortag in Verden hatte sich wohl jemand im Pit ein Knie zerschossen. Einige Leute murrten ob dieses Aufrufs, aber ich find auch, dass sowat nicht sein muss.

Jo, danach gab es gleich noch mal was vor den Kopp, nämlich die schwedischen Protestera. Zwei Frauen und drei Männer waren das, die dem mittlerweile ordentlich in Fahrt kommenden Publikum eine Anarcho-Punk-Schelle nach der anderen austeilten. Titel wie „Direct Action“ oder „Global Uprising“ lassen schon erahnen, dass es bei Protestera schön was zum Mitgrölen gab. Man scheute sich auch nicht, das komplexe Thema Intifada aufzugreifen, womit man sich heutzutage schnell Feinde machen kann. Doch einig dürften sich ja wohl alle (Anwesenden) sein, dass die Scheiße ein Ende haben muss und einfach nur katastrophal ist. Protestera haben mir jedenfalls gut gefallen.

Aber so ganz bei der Sache war ich ehrlicherweise nicht, denn ich war schon sehr gespannt auf Behind enemy lines. Die Band hab ich erst spät entdeckt, nachdem der letzte Longplayer „The Global Cannibal“ in div. Fanzines des Öfteren schon jetzt als „HC-Klassiker“ abgefeiert wurde, hab ich mir das Ding gegriffen und seitdem läuft es bei mir TÄGLICH. Was für ein Wutbratzen aus Hardcore/Punk und Old School Metal! AUS-ROTTEN waren ja schon sehr gut (und von denen sind hier der Sänger und der letzte Drummer dabei), aber Behind enemy lines sind NOCH heavier und kommen derber auf den Punkt. Dazu kommen noch die kompromisslosen Polit-Texte, die vor allem schonungslos mit dem US-System abrechnen – Hammer. Der Sänger hatte wohl eine Verletzung am rechten Bein gehabt, jedenfalls hatte er ’nen Gehstock dabei und humpelte über die Bühne, was ihm aber irgendwie noch mehr Charisma verlieh – so im Sinne von Kaptain Ahab wirft die Harpune nach den Scheiß-Kapitalisten-Walen… Die hohen Erwartungen wurden nicht enttäuscht – BEL waren einfach eine Macht! Gut, der Sound hätte anfangs etwas differenzierter sein können, aber drauf geschissen. Hatte ich mich bisher alk- und bewegungstechnisch noch etwas zurückgehalten, war es nun an der Zeit sein Gehirn vollends an die Wand zu schmeißen. Hemmungslos drosch die Band auf uns ein, wobei ständig jemand ins Mirko brüllt bei denen, was den Effekt des totalen Alarms erzeugt. Und dann dieser Drummer! Immer wenn man dachte, gleich platzt er bei dem Tempo auseinander, spielte er einen NOCH SCHNELLEREN Beat und grölte dazu ins Mikro. Erinnerte mich z.T. an BOLT THROWER, obwohl BEL natürlich musikalisch nicht unbedingt vergleichbar sind (allein viel dreckiger und schneller), aber beide Bands haben dieses plattwalzende Element. In den Ansagen bekam jeder sein Fett weg – Christen, Mormonen, Kapitalisten, Vergewaltiger, Kriegstreiber – YEAH! „We See
“Through Your Lies.
You Can Stand On Your Own.
We’re Not With The Terrorists,
We’re Not With You, And
WE’RE NOT ALONE“
Nachdem von beiden Platten genug Hits gespielt waren (u.a. „Why Does She Stay?“, „Self-Inflicted Extinction“, „The Global Cannibal“…) ließen wir die Band dann doch mal von der Bühne und es wurde zur Party übergegangen.
Als „DJ M Punkt Messer“ entpuppte sich der HYNKEL OVERSKAEG-Sänger und er legte ein schönes Potpourri aus Punk-Hits (SLIME, DEAD KENNEDYS , na, ist schon klar) und 80er-Disco-Hits auf, was insgesamt ordentlich die Tanzschuhe glühen ließ. Der gesamte Innenraum vor der Bühne war jedenfalls mit Tänzern angefüllt und man vernahm aus der einen und anderen Ecke Sätze wie „Dat ist die Party des Jahres“. Auch BEHIND ENEMY LINES-Bassistin „Metal“ Mary Bielich und -Klampfer Matt waren am Mitfeiern und freuten sich schon auf den nächsten Gig in HH. Wie gesagt obersympathisch, die wollten mich doch glatt noch mitschnacken nach HH. Ich könne mit denen hinfahren und irgendwie zurücktrampen… Hab denn aber doch irgendwann Schluss gemacht und am Sonntag lieber mein Schlafzimmer grün gestrichen. Gute Nacht!

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www.wearebehindenemylines.com
www.geocities.com/apatiano
www.myspace.com/allsystemsfail
www.protestera.net