Zwischen Traum und Trance

Es ist kalt in der Alten Meierei, sehr, sehr kalt. Der Herbst hält Einzug in der Fördestadt und ein Montagabend für Konzerte scheint ein denkbar schlechter Zeitpunkt. Trotzdem hat man sich eingefunden. Kaum jemand im Publikum kennt La Paz, ein Quartett aus dem Großraum Hamburg, doch die Veranstalter sagen, es lohnt sich, zumal die Band von ihrer vorangegangenen Mini-Tournee durch Schweden gut eingespielt sein dürfte.

Entrückt: das Hamburger Quartett
La Paz in der Meierei. Foto bev

Dann begeben sich vier Endzeit-Typen zu ihren Instrumenten und fangen an zu spielen. Schon die ersten Takte lassen einem warm ums Herz werden, das wohlige Gefühl erkennen, dass sich das Kommen gelohnt hat. Irgendwo zwischen Mogwai und Motorpsycho schillern La Paz in ihrem musikalischen Farbentrip, verifizieren Passagen nur minimal, so dass der Zuhörer geradewegs in die Trance hineinträumt. Schlagzeuger Niklas Dommasch fungiert dabei als Bindeglied zwischen Band und Publikum, das es gar nicht geben müsste, sind La Paz doch der Anti-Rock’n’Roll schlechthin und damit weit entfernt von sämtlichen Entertainment-Erwartungen.

Überraschende Stops and Goes gehen Hand in Hand mit Schepper-Collagen, Gitarrist Jan Stange lässt in seinen Arpeggien einzelne Töne aufschimmern, um im nächsten Moment mit dem Handrücken über breiige Akkorde zu schreddern. Ein Sound, der auf den Punkt kommen muss, um zu wirken, was La Paz zum größten Teil gelingt. Mut zum rhythmischen Experiment, angejazztes Dudeltum sowie Störgeräusche, die aus elektronischen Kästen brechen, rütteln immer wieder auf, lassen nach jedem Song den Beifall ein wenig mehr werden – offenbar proportional zur anwachsenden Länge der Stücke.

Nach einer Zugabe ist die Bühne dann freigegeben für die zweite Band des Abends. Stop It aus Richmond/Virginia haben mit La Paz nicht viel gemeinsam, außer vielleicht den Hang zum Nonkonformismus. Ihre Kunst ist laut und schnell, voll der harmonischen Dissonanzen und manischen Geschreis, eine Klang gewordene Großbaustelle, die sich ebenso durch brutale Kraft wie auch als Filigran-Gefüge erschließt. Den Gesang hört man kaum, aber dass ist auch nicht wichtig, sind es doch eher apokalyptische Vokallaute als Vokabeln oder Melodien.

Stop It sind die etwas andere Punk Rock-Variante mit einem hervorragenden Schlagzeuger, der maßgeblich daran beteiligt ist, dass der Sound des Vierers nach vorne drückt. Und während draußen Winde wüten, spielt sich eine Band aus den Staaten vor zwei Handvoll Publikum um den Verstand.

Von Carsten Purfürst