Prickelnd wie Brausepulver

Abuela Cocas Stil-Cocktail in der Meierei war pures Vergnügen
Da kann man ihnen noch so tief in die Augen schauen; da kann man ihr Hüpfen und Springen auch noch so unerbittlich ins Visier nehmen und nach abgekarteten Momenten scannen. Das ist alles echt! Wenn nicht irgendwo in den vergangenen Monaten ein unbeobachtetes Wunder auf Kieler Bühnen stattgefunden hat, dürften Abuela Coca in der Meierei mal eben die vergnüglichste Sause des halb verblühten Jahres veranstaltet haben.

Verbreiteten auf der Bühne atemlose Dynamik und tanzten
nach dem Konzert sogar backstage weiter: Abuela Coca.
Foto Bevis


Schon die Partylaune auf der Bühne verhilft zumindest für die knapp zwei Stunden Konzerterlebnis manch mauligem Mundwinkel zum schönsten Lächeln des Tages. Aber Frohsinn allein steckt selten grundlos an. Wenn man also wieder einmal nach Gründen für Zustände suchen will, dann ist es bei Abuela Coca die Musik. Passt ja toll, ist ja schließlich auch ’ne Band. Wie so viele mixen die acht Musiker aus Uruguay die Stile. Allerdings führt die Mixtur aus Reggae, Ska, Rock, HipHop, Jazz, Rock und einer großen Portion Funk bei Abuela Coca wie bei so wenigen zu einem eigenständigen Musikgebräu, in dem die Einzelelemente symbiotisch voneinander profitieren und die atemlose Dynamik dieser Band ausmachen.

Songs wie El Ritmo Del Barrio oder Para Ver Las Estrellas funktionieren dann wie Brausepulver. Mag das wartende Wasser auch noch so trüb und still sein, am Ende schäumt es über. Die Rhythmus orientierten Gute-Laune-Harmonien zu einer Mischung aus Gesang und Rap, mal reggaelastig melodiös, dann wieder sprechend rhythmisiert und knackend-präzise, werden dabei soundtechnisch erstaunlich gut abgemischt. Ein dreiköpfiger Bläsersatz, Bass, Schlagzeug, Gitarre und zwei Vokalisten entwickeln so ein austariertes Zusammenspiel, in dem niemand je zu weit vorn oder hinten agieren muss. Ähnlich respektvoll wie ihr Umgang mit den verschiedenen Musikstilen funktioniert dabei der Umgang der Musiker im Bandgefüge. Wichtig ist das, was am Ende rauskommt. Natürlich wird jeder einmal für Soloausflüge von der Leine gelassen und das ist bei dem hervorragend virtuos und mit angenehm dreckigem Ton arbeitenden Posaunisten Martin Moron oder auch im Falle des hörbar jazzig orientierten Traverza an der Trompete auch eine inhaltliche Unverzichtbarkeit; dennoch gelingt die Band am Ende als Kollektiv.

Und während sich auf der Bühne immer mehr Kleidungsstücke von ihren musizierenden Besitzern verabschieden, kommt in der vollbesetzten Meierei so etwas wunderschön Entspanntes und Freundliches auf, das nur der Sommer zaubern kann. Unaufgefordert zutrauliche Blicke schwirren durch den Raum. Abuela Coca haben es geschafft und jenes flirt-taugliche Tanzvergnügen inszeniert, das nicht auf einem Klischee südamerikanischer Leichtigkeit basiert, sondern ein authentisches Gefühl transportiert, das weder einer Mentalität, noch eines Breitengrades bedarf. Dass sie eine politische Band sind, dürfte wohl nur den spanisch sprechenden Gästen eine zusätzliche Facette von Abuela Coca offeriert haben.

Ja, das ist auf jeden Fall alles ganz echt. So verwundert es auch nicht, dass man nach Ende des Konzerts durch einen Spalt zwischen Zarge und Tür des Backstageraums einen Blick auf acht tanzende und hüpfende Männer aus Uruguay erhaschen kann. Von Manuel Weber