Toleranz am Arsch

Next War Ends, Disarmonia, Shudder And Spit / 21.01.12 – Kiel, Alte Meierei


Diese ganze Debatte um die Absage von „Mosh in den Mai“ hat immerhin etwas Gutes: Diversen Menschen dürfte vielleicht doch mal bewusst geworden sein, dass die Meierei für Werte steht, die über ein gemeinsames Abfeiern von Musik weit hinausgehen. Dennoch bleiben einige dabei, von unterschiedlichen „Lagern“ zu sprechen und eine Art „Meierei vs. Metal“-Verschwörungstheorie herbeizuschwafeln. Ich kann mich nur selbst wiederholen: Hätte sich eine Reggae-Konzertgruppe derart unsensibel verhalten, hätte sie dieselbe Reaktion bekommen. Daher wird die heutige Veranstaltung auch inoffiziell in „Mosh in den Metal“ umbenannt, hehe.

Man hat sich heute für die kleine Variante entschieden: Bühne oben direkt vorm Tresen. Das ist etwas gewagt und es wird auch muckelig eng heute, was später zu einigen ungewollten Anremplern, kaputten Sonnenbrillen und Platzwunden führen soll.

Shudder And Spit – geil, ‘ne neue Band aus Kiel, die vom Start weg ordentlich reinhaut. Ist wohl deren dritter Auftritt überhaupt, wird mir erzählt. Besonders die absolut räudige Stimme der Sängerin gefällt, wobei das Gitarrengesäge und das nach vorne peitschende Bass/Schlachzeuch-Duo auch nicht zu verachten ist. Der Mob kommt schnell in Wallung, die Getränke scheinen noch schneller als gewohnt über den Tresen zu flutschen. Ist ja auch nicht so weit vom Pit zum Tresen heute… Witzig finde ich, dass ich bis auf die Sängerin noch keins der Bandmitglieder bisher irgendwo bewusst wahrgenommen hab. Wo haben die sich bloß hergebeamt? Aber mein Gedächtnis ist in der Hinsicht auch schlecht, also sorry, falls ich mit einem der SHUDDER-AND-SPIT-Nasen doch schon mal ‘ne Nacht durchgesumpft haben sollte und es nicht mehr weiß. Die Mucke ist jedenfalls mitreißender Hardcore/Punk, da kommt noch was auf uns zu – hört bei Interesse vielleicht hier mal rein.

Yeah, heavy Herb und die Disarmonias sind wieder da! Ich hatte ganz vergessen, dass die Band so heißt, obwohl ich deren letzten Auftritt in der Meierei noch gut in Erinnerung habe. Natürlich gibt es wieder radikal auf die Mütze. Das Threepiece rattert durch ein Blackened-Crust-Set. Wie Gitarrist und Schlagzeugerin mit ihrem unkonventionellen Spiel immer wieder die Eins finden, bleibt rätselhaft. Aber es haut hin. Und Herb teilt RICHTIG aus, sodass der Mob nach jeder Ansage begeistert johlt: Heute gibt es von DISHARMONIA für ALLE Idioten die Klatsche – gegen sexistische Death Metaller, linke und rechte Antisemiten, Fleischfresser, Stalinisten, Denunzianten, unpolitische Oi-Punker, Neonazis… – right on, „blasting the scum away“. Burschenschaftler fallen mir spontan noch ein, die hat Herb vergessen… Toleranz am Arsch, direkte Antifa-Aktion heißt hier das Gesetz. Sehr schön gefällt mir der Smasher „Bloodbath At Burger King“, dessen Refrain man mit der Titelzeile und dem folgenden „Revenge For Animal Torturing“ begeistert mitschmettern kann. Da macht es fast gar nichts, dass mir jemand enthemmt die Faust unter die Pulle rammt und ein Stückchen Zahn wegsplittert. Begeisterung! Und Danke dafür, dass die Band uns noch spontan zwei Demos zusammenklebt komplett mit Textblatt!

Fussel schmeißt den Generator an – Heavy Metal Nebel für uns alle! Und Next War Ends legen entfesselt los wie ‘ne Horde Orang-Utans in Brachiationsmodus. Ist es nun eher Death Metal oder eher Hardcore/Punk? Mir doch wumpe, auf jeden Fall geht der in eine speckige Jogginghose gewandete Sänger ordentlich ab und fliegt durch die Gegend. Eine Welle von pogenden und im Kreis wetzenden Asis wogt durch die Meierei – ich werde erfasst und dabei unsanft über die Monitorboxen geschubst. Aua. Amtlich das Knie aufgeschlagen. Egal, Stücke wie „Drug’n’Roll“ (gegen Dealerschweine), „The Harbringer Of Death“ oder „Hit The Face“ lassen jedes Wehwehchen vergessen. Die Bremer sind meist schön schnell, haben dabei aber häufig groovige Riffberge eingebaut, die immer wieder Bewegungsdrang entfachen. Für 4,- Euro gibt es eine sehr schick aufgemachte D.I.Y.-CD abzuernten – hiermit empfohlen!

Ein Abend, der sich als viel besser erweist, als ich irgendwie erwartet hatte. Danach geht es noch in die Hansastr., wo JoyBoy und Casi fiese deutsche Schlager spielen, genauer die „deutschen Originalaufnahmen“ von z.B. „Paranoid“ („Der Hund von Baskerville“) oder „If The Kids Are United“ („Du hast Angst vor der Wahrheit“)… Just als wir eintreffen, wird gerade eine von den beiden höchst professionell moderierte zweite Runde eingeläutet…

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