Istanbuler Quintett stellt die Kleiderfrage

von Dieter Hanisch

Alte Meierei und Kleiderfrage? Nicht Wirklich! Doch Kleider machen nicht nur Leute, sondern gefährden auch die Gesundheit, zumindest wenn es um Jeans-Produktion per Sandstrahltechnik geht. Zu besagter Problematik gibt es inzwischen eine internationale Kampagne und einen musikalischen Botschafter namens Bandista aus Istanbul. Kiel ist eine von 27 Stationen der Deutschland-Tournee.

Gerade in der Türkei hat es bereits bei dieser speziellen Form der Textilherstellung und -bearbeitung mehr als drei Dutzend Tote und einige tausend schwer erkrankte gegeben, die sich TBC und schlimmstenfalls eine so genannte Staublunge einhandeln. Das Anatolien-Quintett, das sich 2006 gründete, nimmt kein Blatt vor den Mund und thematisiert an diesem Abend neben den Sandstrahl-Gefahren beispielsweise auch den Völkermord im Osmanischen Reich an Armeniern.
Mit Leidenschaft und Energie verwandelt Bandista die Alte Meierei bereits vom ersten Stück an in einen Tanztempel. Die Band, die ganz ohne Schlaginstrument auskommt, besitzt eine ihrer Stärken im mehrstimmigen Satzgesang und im Mehrklang durch den wechselnden Einsatz von Klarinette, Trompete und Bouzouki. Der musikalische Istanbul-Express, der inzwischen drei Alben eingespielt hat, bastelt sich seinen mitreißenden Stilmix von Sirtaki bis Ska aus unterschiedlichen Kulturen und von unterschiedlichen Kontinenten zusammen und überzeugt durch Spielfreude pur. Die fünf Bandistas verausgaben sich derart, dass ihre T-Shirts schon zur Hälfte des Gigs durchgeschwitzt sind.
Das Warm-Up für die bejubelten Türken gestaltet Compania Bataclan aus Bochum und Umgebung. Die Gruppe stellt sich ähnlich breit auf, wandelt mit keltischen, westafrikanischen und ukrainischen Klängen auf weltmusikalischen Folk-Pfaden, bedient sich bei uraltem deutschen Liedgut und kommt bei einer Vorliebe für Tempo- und Rhythmuswechsel mal im Reggea-Look, mal im Balkan-Gewand daher, präsentiert sich rockig, punkig bis zum Anarcho-Freestyle, und eine Prise Polka darf auch nicht fehlen. Zeitweise klingen sie wie die charismatische Nina Hagen samt Band in besten Tagen. Lediglich der Kampf mit dem Sound hat sich bei dem siebenköpfigen Ruhrpott-Ensemble zwischendurch immer wieder als Störfaktor eingeschlichen.