One thing in common: We all do it for love

Pisschrist, Büfo, Sotatila, The Tangled Lines / 11.08.08 – Kiel, Alte Meierei

Pisschrist! Manchmal gelingt es einer Band auch heutzutage in einer Zeit, die doch durch eine gewisse musikalische Reizüberflutung gekennzeichnet ist, aus der Masse herauszustechen. Bei der ersten Begegnung mit PISSCHRIST hab ich mich verliebt. Was für ein Name aber auch, ganz langsam nochmal für alle zum laut Mitlesen: P.I.S.S.C.H.R.I.S.T.! Dazu diese Covermotive, die auch NAPALM DEATH nicht besser auf den Punkt gebracht haben: Hier wird nichts beschönigt, auf „Nothing Has Changed“ sieht man aufgespießte Friedenstauben, Totenköppe, Bomben, Waffen, Dollarzeichen…, dargestellt in einer (für mich) unwiderstehlichen Schwarz-Weiß-Ästhetik (wenn man das so nennen kann). Hat man sich halbwegs daran sattgesehen und lässt man sanft die Nadel aufs Vinyl gleiten, reißt einen die Energie der Band aus dem Sessel – „total raw punk assault!“ versprechen die Australier im Innersleeve und genau das bekommen wir bereits nach den ersten Tönen angefixten Krachsuchtis auch… Oder wie eine gute Freundin von mir es formulierte: „Das klingt ja nach Hackebeil und Morgenstern“. Genau, ist das nicht herrlich?

Erfreulicherweise spielen heute sogar noch The Tangled Lines. Die hatte ich am Vortag in der Roten Flora verpasst, daher mehr als willkommen. Leider will die Gesangsanlage nicht so richtig das fiese Gekreisch von Sängerin Luise übertragen. Aber Luise lässt sich nicht aus der Ruhe bringen und irgendwie weiter hinten im Gesamtsound nimmt sie schon noch wahr. Die Meute muss erst noch warm werden, aber es bringt einfach mal wieder Spaß den Sachsen zuzusehen. Luise scheint übrigens sehr kreativ zu sein – wenn ich das richtig sehe, hat sie sich aus einem ollen METALLICA-Shirt einen Rock genäht, so mit Rüschen dran. Sieht jedenfalls klasse aus. Am Vortag hatte es wohl noch Coversongs von MINOR THREAT und GORILLA BISCUITS gegeben, dafür heute lecker TOXOPLASMA.

Mit Sotatila kommt nun eine Hardcore/Punkband, deren Mitglieder zum Teil in Wien, zum Teil in Tampere wohnen. Ich glaub, der Sänger ist der Finne, jedenfalls kommt der so finnisch rüber und irgendwie sagt dann auch jemand, dass er auch bei RIISTETYT spielt. Es geht jedenfalls ordentlich flott nach vorne los, dazu grunzt der Kollege und schüttelt seine Dreads. Trotz der gelungenen Vorstellung bleibt es im Publikum recht ruhig – auch die Aktion von Andi und dem PISSCHRIST-Sänger Arm in Arm durch die halbe Meierei zu pogen, sorgt lediglich kurzfristig für Erregung.

Mittlerweile ist es angenehm gefüllt (80 – 100 Leute?), zumal die Bands auf dem Boden vor der eigentlichen Bühne spielen. Büfo heißt laut Sänger auf Finnisch Ochsenfrosch, was erstmal nicht viel aussagt. Man ist gespannt, was einen erwartet, zumal die Bandmitglieder optisch überhaupt keinen gängigen Klischees entsprechen (der Sänger trägt so eine kurze Sportbuxe und eine VENOM-„A War With Satan“-Kutte), Als heftig losgeblastet wird, ist die Marschrichtung klar: Grindcore, Baby! Ich habe schon so lange kein Grindcorekonz gesehen, dass ich fast vergessen habe, wie herrlich das live kommt: Die eruptiven Energieentladungen springen einem förmlich ins Gesicht. Der Sänger wetzt hin und her, springt mal auf die Bühne […. Mit einem NASUM-Cover zeigt man zusätzlich Geschmack.

Dem PISSCHRIST-Sänger Yeap merkt man an, dass er den Scheiß von ganzem Herzen liebt: Alle drei bisherigen Bands hat er abgefeiert und mitgebrüllt, jetzt will er loslegen, zappelt beim Soundcheck unruhig herum. Zunächst bittet er höflich darum, die Distanz zu verringern. Bei vielen Sängern wirken ähnliche Aufrufe albern, aber die Bitte wird so herzlich vorgetragen, dass man unwillkürlich nach vorne rückt und die Freude darüber ist der Schreigräte deutlich anzusehen. Und dann geht es los: Sofort überträgt sich der D-Beat direkt in mein Hirn, ich lasse mich wollüstig in die Wellen aus Krach fallen, die sich hier monströs auftürmen. Yeap springt den Leuten brüllend auf die Köppe (vor lauter Enthusiasmus drückt er dabei Steffi einen Stiefelabdruck ins Gesicht, aber sie ist ihm nicht böse…). Jetzt kommt der Mob endlich mal in Wallung. Ein neuer Song heißt „Punk Is Love“ und gerät nicht nur musikalisch zu einem der Höhepunkte, sondern hat auch eine inhaltlich geniale Aussage: „DIY Punx under one flag / Music and idea empowers our life / Good friends playing HC / around the world / (…) Some book shows, some put out records, some cook, some draw / (…) One Thing in common: We all do it for love“. Ganz genau, wobei andere Songs weniger von Liebe handeln und so bölken nicht wenige mit, wenn es da heißt „Destroy“, „Fuck The World“ oder „All Out War“. Mit einem finalen und alles zertrümmernden „Blood Bred Dry“ endet das Konzi irgendwann viel zu früh, aber wer nicht glücklich und durchgeschwitzt ist, hat etwas verkehrt gemacht. Nächste Woche kann man PISSCHRIST nochma in HH sehen – wenn’s klappt, bin ich am Start.

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